Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
Sicherheiten zu sprechen. Schau mal dort, vor der Herde. Auch hier Ständer wie in Rom mit der Aufschrift: ›Ich pfeif drauf‹. In einem einzigen Jahr dieses anormale Wachstum von Totenköpfen und gekreuzten Knochen überall! Der ehrenwerte Benito Mussolini hat den Ball im Flug gefangen. Seine Partei braucht keinProgramm: ›Erst handeln, dann reden!‹ Die Kohlekrise, säumige Schuldner aus England und, um die Situation zu retten, eine große Anleihe bei den Vereinigten Staaten. Alles nur, um dann zu erpressen: ›Faschistische Revolte – wir dulden kein bolschewistisches Regime!‹«
»Bist du deshalb traurig?«
»Nein, ich mache mir keine Sorgen, sie werden es nicht schaffen … Ich bin traurig über unsere Fehler in der Vergangenheit und habe ein wenig Angst vor all dem Vertrauen, das du in mich setzt. Ändere dich lieber nicht, ahme die Männer nicht nach. Ich habe die unbestimmte Ahnung, daß in Beatrice und dir eine neue Kraft liegt.«
»Früher hast du mich unmoralisch genannt, und ich …«
»Früher habe ich nichts verstanden … Warum fängst du wieder an zu lachen, Modesta?«
»Ich lache, weil dieser Jacopo eine unglaubliche Kraft hat. Er ist wirklich gesund! Wir werden mit ihm nicht solche Probleme haben wie mit Eriprando.«
»Welche Probleme, Modesta?«
»Er wollte sich nicht stillen lassen.«
»Und darüber mußt du lachen?«
»Ich wünschte, diese Fahrt ginge nie zu Ende, Carlo! Es ist schön, von dir begleitet zu werden. Beatrice hat mir gesagt, daß ihr oft am Fuß des Ätna spazierengeht.«
»Ja.«
»Auch deshalb ist sie so kräftig und fröhlich geworden. Stützt sie sich auf deinen Arm, wenn ihr spazierengeht?«
»Natürlich.«
»Ich beneide sie, Carlo.«
»Und ich beneide dich darum, ›ich beneide sie‹ sagen zu können. Ändere dich bloß nie, Modesta! Mach uns nicht nach!«
»Warum ist sie nicht gekommen?«
»Als ob du sie nicht kennen würdest! Jetzt, wo du sie losgeworden bist, stellst du solche Fragen, schäm dich!«
»Es amüsiert mich, aus deinem Munde zu hören, was ich längst weiß. Sie ist deine Frau, und du mußt dich um sie kümmern. Sie hat es dir nicht leicht gemacht, oder?«
»Allerdings! Monatelang wollte sie nicht einmal daran denken, daß eine Plebejerin wie diese Inès ihr einen Neffen zur Welt bringt.«
»Mir ist, als hörte ich sie reden!«
»Dann, mehr aus Angst vor dir, konnte man wenigstens darüber sprechen. Aber gekommen ist sie nicht. Da war nichts zu machen. ›Ich in eine Klinik, wie eine gemeine Bürgerliche? Niemals!‹«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Bei dir zu Hause, hat dir das Pietro nicht gesagt? Der Ärmste! Sie hat ihn böse davongejagt, als er die Nachricht überbracht hat. ›Nur um Modesta nicht zu beleidigen, mache ich ihr meine Aufwartung. Aber nie im Leben schaue ich mir diesen Bastard an!‹«
»O Carlo, wie gut du sie nachahmst! Ich komme um vor Lachen, mach das noch einmal, bitte!«
»Nie im Leben, Modesta, nie darfst du mich darum bitten, sie nachzuahmen, nie! Puh, nie!«
Vor dem Tor
Pietro geht mit einer für seinen riesigen Körper unglaublichen Schnelligkeit auf und ab und trocknet sich von Zeit zu Zeit den verschwitzten Schädel unter Fräulein Elenas verstörtem Blick, die unbeweglich und stumm dasteht und mühsam ein ungewohntes Zittern der Lippen und der Hände zu beherrschen versucht.
»O Fürstin, Gott sei Dank seid Ihr hier! Ich kann nicht mehr! Vergebt mir, aber diese Spannung ertrage ich einfachnicht! Schaut ihn Euch an, er hat Euch nicht einmal bemerkt. Er ist außer sich und furchterregend!«
»Was ist denn, Pietro, was ist los?«
»Mody, Beatrice hat mich erneut weggejagt! Das ist ein Zeichen, daß sie ihn wirklich nicht will! Sie will das Kind meines Herrn Fürsten nicht!«
»Wer ist der Herr hier im Haus, Pietro?«
»Ihr, Fürstin.«
»Dann beruhige dich. Hier wird das gemacht, was ich sage.«
»Ja, ja, Mody, aber lieblos, wenn Beatrice ihn nicht will, ohne Liebe! Und das hat es im Hause Brandiforti noch nie gegeben!«
»Was redet er denn da, Fürstin? Seit einer Stunde grollt er. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Spannung Eriprando schadet. Gerade noch rechtzeitig habe ich ihn mit Nunzio zum Spielen an den Strand geschickt …«
»Genau das sagt Pietro mit anderen Worten auch, Elena.«
»Aber er hat doch damit angefangen, Quecksilber anzuschreien.«
»Warum denn Quecksilber?«
»Das will ich dir erklären, Mody: Die vom Festland versteht gar nichts! Quecksilber ist es, die, statt
Weitere Kostenlose Bücher