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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Carlo! –, ja, genau: der diese Insel schwängert und sie sich immer wieder neu gebären läßt – außer den Anwälten, den Notaren und den Professoren.«
    »Wie geht es denn an der Universität?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, Carlo, ist es schrecklich: Alle starren mich an wie ein Zirkuspferd.«
    »Auch die Professoren?«
    »Die besonders! Es irritiert sie so sehr, ein weibliches Wesen in diesen heiligen Hallen zu sehen, daß sie mich kaum abfragen. Alles, was ich sage, ist ihnen recht. Das Examen wird mir nicht schwerfallen.«
    »Du hast mir alles über dich erzählt … Aber warum willst du diesen Magister um jeden Preis?«
    »Das war einer meiner Träume im Kloster, und mansollte Kindheitsträume in Ehren halten. Wenn es ein ›danach‹ gibt, werde ich unterrichten, wie in der Türkei. Atatürk hat die Lehrer aufs Land geschickt.«
    »Mich hat unterrichten immer gelangweilt.«
    »Mit Kindern ist es anders! Wenn du wüßtest, wieviel Spaß mir der Unterricht mit Eriprando macht! Ich kann kaum erwarten, nach Hause zu gehen und ihm für morgen eine wunderschöne Geschichte niederzuschreiben, die ich mir ausgedacht habe.«
    »Worum geht es diesmal?«
    »Um die abenteuerliche Reise einer Eidechse durch die Wüste einer Mauer.«

55
    »So spät liest du noch, Modesta?«
    »Ich habe dich nicht gehört, Mattia.«
    »Machst du deine Abrechnungen?«
    »Nein, ich habe geschrieben.«
    »Und umarmst mich nicht?«
    »Du sturer Bengel, wie soll ich dich umarmen, wenn du mich von hinten festhältst?«
    »Du bist kalt.«
    »Nein, ich habe nur gerade nachgedacht …«
    »Bist du etwa wütend, weil ich eine Woche lang nicht gekommen bin?«
    »Warum sollte ich? So war es doch in diesen Monaten immer.«
    »Ich begehre dich sehr.«
    »Aber ich habe meine Tage.«
    »Das macht nichts. Das Blut ist ganz natürlich. Außerdem kann ich, wenn du keine Schmerzen hast, ohne›Handschuh‹ in dich eindringen, das ist schöner … Wie bist du eigentlich darauf gekommen, das so zu nennen?«
    Den Namen des alten Carmine durfte ich nicht aussprechen, das war sein Ausdruck dafür gewesen, aber an diesem Namen hätte sich ein großer Streit entzündet.
    »Keine Ahnung! Hast du viele Frauen gehabt, Mattia?«
    »Eigentlich nur eine als Soldat, und die hat mir viele Dinge beigebracht! Vorher war ich ein zimperlicher Picciriddu … Dann verschob sich die Front, und ich mußte sie zurücklassen, der Krieg bewegt sich nur langsam, doch er löscht alles aus, verwüstet alles: Häuser, Felder und Gefühle.«
    »Wie ist der Krieg, Mattia?«
    »Ekelerregend! Was habe ich für Blut gesehen! Ekelerregend, aber manchmal auch erhebend. Gemeinsam aus dem Schützengraben zu steigen und anzugreifen ist eine rauschhafte Erregung und eine große Herausforderung an dich selbst und die gesamte Natur. Dann folgt die große Ruhe des Schützengrabens, des Schlamms und des Staubes, eine Schläfrigkeit, die den Drang zu handeln nährt. Während des Wartens glaubst du dich auszuruhen, die Stille zu genießen, aber wenn sie zu schießen beginnen, verstehst du blitzartig, daß du nur darauf gewartet hast, daß du nach Schreien und Granateneinschlägen gelechzt hast. Ja, der Krieg ist auch schön! Manchmal kommt mir mein Leben wie das Warten in einem schlammigen Schützengraben vor. Aber nicht in deiner Nähe, Modesta. Wie alt bist du? Jetzt siehst du wie ein Mädchen aus, oder bist du eine Hexe? Hexe, Lavateufelin, warum willst du mich nicht?«
    »Wieso sollte ich dich nicht wollen? Du bist in mir, Mattia, ich halte dich in meinen Armen.«
    »Dein Körper will mich, aber dein Geist? Wohin wandert dein Geist? Was sucht er?«
    »Du weißt, was ich suche.«
    »Ja, natürlich! Alles Ausreden! Die Freiheit, die Unfreiheit! Du liebst mich einfach nicht!«
    »Im Gegenteil, ich liebe dich, du sturer Bengel.«
    »Nachts! Aber ich will dich immer.«
    »Du kannst kommen, wann du willst, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Ja, zum Tee wie ein Fremder.«
    »Warum Fremder? Als Freund.«
    »Zwischen Mann und Frau kann es keine Freundschaft geben. Auch das macht mich verrückt.«
    »Fang nicht wieder mit Carlo an, Mattia!«
    »Wenn es nur Carlo wäre! Was will dieser Pasquale hier? Und dieses Wesen, halb Mann, halb Frau, das allein ausgeht und dich zur Universität begleitet. Was will die von dir? O Modesta, umarme mich, manchmal glaube ich, ich werde verrückt!«
    »Drück mich nicht so, laß mich los, du tust mir weh!«
    »Siehst du, daß du mich haßt? Warum bist du jetzt so

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