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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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nicht. Ich bin der Baum und habe die Fähigkeit zu trösten, wie alle Wesen aus grauem Stein oder grünem Blatt. Ich gehöre zur Rasse derer, die beobachten, und nicht der Rasse der Menschen, die herumrennen und Wind machen und niemals Ruhe finden.
    Giufà: Oh, Baum, verzeih. Aber häufe nicht noch mehr Unheil auf mich. Du darfst mich ruhig einen dummen Jungen nennen, nicht aber einen kleingläubigen Menschen, weil Giufà ganz Glaube und Vertrauen in dich ist, Baum, und in den Fels, in die Quelle. Überlaß mich einfach meiner Verzweiflung. Ich möchte alleine leiden, auch wenn ich nicht blind bin. Ich glaube dir, daß es Nacht ist und nicht Tag, doch will ich mich in diesem hoffnungslosen Schmerz suhlen.
    Baum: Jetzt begehst du schon wieder so einen typischen Menschenfehler. Die Heilkräuter ließen dich einschlafen, um deinen Kummer zu lindern.
    Giufà: Oh, erstaunliche Wundertat! Das schätze ich wohl, doch Giufà vermag nichts zu trösten.
    Baum: Ist es wegen deines gehörnten Vaters, daß die Kräuter nicht die Kraft haben, dir Ruhe zu schenken?
    Giufà: Schlimmer, schlimmer.
    Baum: Dann also der Gendarm?
    Giufà: Schlimmer, noch schlimmer.
    Baum: Ich sehe, daß dein Leid wahrlich groß ist. Wir müssen sofort jemanden zu Hilfe rufen, der noch größere Fähigkeiten besitzt als unsereins.
    Giufà: Und wer wäre das?
    Baum: Da kommt er und öffnet sich mit der Sichel einen Spalt in der Mauer der Nacht.
    Giufà: Oh, Baum! Du willst doch nicht etwa den Sensenmann rufen, damit er mich tröstet? Wir wollen es nicht übertreiben, Giufà leidet, aber den Sensenmann mag er trotzdem nicht.
    Baum: Was sagst du da? Der unsterbliche Baum hat mit diesem Zauberer nichts zu schaffen. Der Baum ruft den Mond oder die Sterne oder die Sonne. Da kommt schon der Mond! Er ist kaum geboren und hat schon die Weisheit von Jahrtausenden. Sprich mit ihm.
    Mond-Mela: Giufà, Giufà, du kannst nicht immer meine nächtliche Reise stören. Rundherum muß ich kontrollieren! Ich gebe dir eine Minute, bevor ich weiterwandere zum Kometen und zum Delphin.
    Giufà: Oh, Mond! Was hast du für eine zarte Stimme!
    Mond: Ich bin gerade geboren und habe viel zu tun.
    Giufà: Verzeih, Mond, aber eine große Schmach läßt Giufà leiden.
    Mond: Wie damals mit den Feigen und der Madonna?
    Giufà: Schlimmer!
    Mond: Ich muß mich wohl mal eine Nacht mit deiner Mutter unterhalten.
    Giufà: Oh, dann unterhalte dich, und leg ein gutes Wort für mich ein. Denn sie erteilt Befehle, sie sagt Giufà Wort für Wort, was er zu tun hat, aber wenn Giufà sorgsamWort für Wort ausführt, ist sie unzufrieden und wird zornig wie eine Furie.
    Mond: Sie ist ein wenig zu kleinlich. Ich werde ihre Gedanken wohl mal etwas zerzausen müssen. Aber was ist passiert, erzähle.
    Giufà: Heute im Morgengrauen putzt sie sich eifrig heraus und sagt mir wortwörtlich: »Bring das Haus in Ordnung, gieß das Gemüsebeet, dann zieh dich schön und sauber an – mach mir keine Schande –, und komm in die Kirche, denn heute ist der Tag der heiligen Rosalia und die gesamte Verwandtschaft geht in die Messe. Aber vergiß nicht, Giufà, beim Hinausgehen die Tür hinter dir ins Schloß zu ziehen, Gesindel und Diebe sind unterwegs! Vergiß also nicht, die Tür hinter dir ins Schloß zu ziehen.«
    Mond: Und dann?
    Giufà: Drei Stunden habe ich gebraucht, um die Tür aus den Angeln zu heben, und habe sie dann mühsam hinter mir hergezogen auf der Suche nach dem Schloß. Und als sie mich so sieht, bekommt sie einen Tobsuchtsanfall und schreit mich an, und schreit zum Himmel in größter Wut! Sicher, ich kam drei Stunden zu spät, und die Messe war lange vorbei. Aber die Tür war schwer, bei Gott, und weit und breit kein Schloß zu sehen! Warum also zeterte sie so? Da verstehe einer die Frauen! Mond, ich bin verzweifelt.
    Mond: Ach, Giufà! Armer Giufà!
    Giufà: Den eigenen Sohn wegen einer Verspätung verstoßen! Sie hat gedroht, mir den Schädel einzuschlagen.
    Mond: Und was hast du gemacht?
    Giufà: Voll Kummer habe ich die Tür, die sie so unbedingt haben wollte, auf die Piazza gedonnert! Mehr als den Kummer fürchtete ich ihre Fäuste und scharfen Fingernägel. Findest du das richtig?
    Mond: Wenn ich ein voller und starker Mond bin, werde ich sie im Traum besuchen und ihr ein wenig den Kopf verwirren. Los, ich möchte dich trösten, spring auf meinen Buckel und vergiß das ganze. Heute nacht kommst du mit mir zu den Sternen.
    Giufà: O wie schön ist es hier auf deinem Rücken, Mond. Ich

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