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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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mich in den Arm, Jò, fühlst du, wie ich zittere?«
    »Ich weiß, daß du es nicht so gemeint hast, Kleines, doch das Wort schmerzt trotzdem.«
    »Oh, verzeih mir, ich werde mich für dieses Wort bestrafen und dich so lange küssen, bis die Wunde verheilt ist. Ach, Jò, halte mich fest, ganz fest, tu mir weh, aber bitte verschwinde nicht.«
    »Nun tust du mir weh, Kleines, mit deinen Bissen.«
    »Ja, ja, ich beiße dich … in den Hals, die Lippen … Tu ich dir wirklich weh? So, in den Hals, so mußt du dich ganz bedecken, damit es niemand sieht. Tut es weh, ja? Tut es weh?«
    »O Modesta, ja, aber es ist auch so süß … Beiße nur, beiße!«
    »Ich esse dich auf, Jò, von Kopf bis Fuß, auch die Brüste. Dann kannst du nie mehr verschwinden, bist komplett in mir drin, nie mehr.«
    Versunken in der Umarmung, bemerken Jò und Modesta nicht die schwarzen Schwingen, die sich über den Horizont breiten.
    »Es ist schon Nacht, Modesta.«
    »Und jenseits der Nacht fliegt Giufà rittlings auf dem Mond.«
    »Wir sind auf dem Teppich gelandet. Wie schnell der Tag hier in die Nacht übergeht!«
    »Nur in deinen Armen habe ich keine Angst, dich zu verlieren, Jò, warum?«
    »Ich kann mich immer noch nicht an diese plötzliche Dunkelheit gewöhnen. Ich sehe, wie die Sonne untergeht, und werde dennoch immer wieder von der Nachtüberrascht, als liege die Dunkelheit im Hinterhalt und warte nur auf einen unachtsamen Moment, um über mich herzufallen. In der Türkei ist das nicht so, zumindest nicht in Istanbul.«
    »Wir sind viel weiter südlich, Jò … näher am glühenden Herzen Afrikas. Zwischen den Blättern des Maulbeerbaums kann man bei Nacht Afrika riechen, einen trockenen, messerscharfen Geruch wie von einer Klinge, die den Lorbeer schneidet.«
    »Hast du die Tür geschlossen, Modesta?«
    »Ja, außerdem würde sowieso niemand wagen, einzutreten, das weißt du. Hier bin ich die Herrin.«
    »Aber sie könnten uns belauschen.«
    »Keiner belauscht die Herren, hier auf der Insel.«
    »Ihr seid unglaublich. Und die Kinder? Vielleicht suchen sie uns.«
    »Aber nein. Sie haben uns in ihrer Freude bestimmt vergessen.«
    »Wie kannst du das sagen, Modesta?«
    »Weil es stimmt.«
    »Sie sind undankbar.«
    »Wofür sollten sie dankbar sein?«
    »Du nährst sie, beschützt sie.«
    »Das ist der Punkt, würde Pietro sagen. Durch mein Vermögen, sie zu ernähren, fällt mir die Rolle der Herrin zu, der Pa-dro-na, Jò! Warum sollten sie ihrer Herrin dankbar sein? Du wirfst mir vor, daß ich Pietro bevormunde, und verlangst dann von mir, es bei den Kindern zu tun. Junge Menschen, die sich nicht wehren können, von sich abhängig zu machen, nur weil man sie ernährt, wäre die grausamere Bevormundung.«
    »Aber ich höre doch, wie jemand zu uns heraufkommt. Das wird Bambú sein oder Prando, der dich vermißt.«
    »Nein, sie würden mich nur vermissen, wenn ich sie ohne Brot und Spiele ließe.«
    »Was du sagst, ist schrecklich.«
    »Es ist die Natur. Das Kind muß dich lieben, weil du seinen Hunger stillst. Carlo wollte eine Gewerkschaft der Enkel gegen scheußliche Großeltern gründen. Ich plädiere für eine Kinder-Gewerkschaft gegen dieses schreckliche Duo von Vater und Mutter, die für ein Stück Brot und ein Spielzeug einen Liebespreis verlangen, der jedes normale Individuum überfordert.«
    »Du übertreibst, Modesta. Es klopft. Du wirst sehen, es ist Bambú.«
    »Nein, das waren Pietros Schritte.«
    »Dein Diener.«
    »Fürstin, Euer Durchlaucht, verzeiht …«
    »Geh ins Bad, Jò. Ich fürchte, dein Kleid ist zerrissen.«
    »Das warst du, Modesta.«
    »Geh dich umziehen.«
    »Einen Moment, Pietro, ich ziehe mir etwas über und öffne.«
    »Wie, geht’s Euch etwa nicht gut, Fürstin?«
    »Nein, Pietro, nur arge Kopfschmerzen, aber ich habe geschlafen und danach war es besser.«
    »Wie gut ich Euch verstehe, sie stellen ein Durcheinander an, diese Kinder! Es ist schön, ihre Freude zu sehen, aber anstrengend … Stella hat mich hergeschickt, um Euch mitzuteilen, daß unsere Bambolina beschlossen hat, das Abendessen am Meer einzunehmen. Genau wie ihre Mutter, immer für eine Überraschung gut. Jetzt sind sie losgezogen, um in der Bucht des Propheten alles vorzubereiten. Und Bambolina hat auch beschlossen, bis zum Morgen auszuharren und zu sehen, ob aus den Haaren des Propheten Blut tropft, wenn die Sonne aufgeht. Es istdie richtige Jahreszeit für dieses Spektakel! Stella wollte wissen, ob Euer Durchlaucht einverstanden

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