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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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sein?«
    »Wie ich sehe, ist es dir gelungen, keine Blume zu zertreten, Pietro!«
    »Tja, nur Gott weiß, wie ich das geschafft habe! Draußen hilft mir dieser Riesenkörper, Verräter und Schlangen fernzuhalten, aber hier mitten in dieser Kinderschar ist es ein Fluch. Wie kann ich Euch dienen?«
    »Du mußt umkehren und mir eine Kostbarkeit bringen.«
    »Wollen Euer Durchlaucht einen Fächer? Seid Ihr durstig?«
    »Nein! Was ist für dich das Kostbarste auf der Welt?«
    »Crispina ist das Kostbarste für Pietro! Ach, Ihr wollt sie auf den Schoß nehmen? Oh, natürlich, Mody, sie wird sich freuen. Ich bin sofort zurück.«
    Pietro tritt ergeben den beschwerlichen Rückweg an. Diesmal stolpert er … fast wäre er gefallen!
    »Hier ist sie, Mody, das jüngste Mitglied dieser hübschen Versammlung.«
    »Und, wer ist die Schönste hier, kleine Crispina, hm, wer ist die Schönste?«
    »Ich bin schön, und du bist schön, und Mama ist schön.«
    »Und dein Papa, wie ist der?«
    »Stark.«
    »Weil er dich auf seinen Schultern reiten läßt?«
    »Nein, ich bin klein, und mein Papa … ähm, mein Papa … weiß nicht … Wann kommt Giufà?«
    »Jetzt gleich. Und ist Giufà so stark wie dein Papa?«
    »Nein, er ist dumm!«
    »Warum ist er dumm?«
    »Er ist dumm, und die Vögel haben keine Angst vor Giufà. Und er lernt vom Lamm und vom Fuchs und vom Spatz.«
    »Dann stimmt es also, Mody, daß du ein Herz für Crispina hast und dein Versprechen hältst?«
    »Hast du daran gezweifelt, Pietro?«
    »Ich habe nicht an dir gezweifelt, Mody, aber die Natur ist manchmal launisch. Und ohne etwas dafür zu können, hättest du vielleicht keine Zuneigung für meine Picciridda verspürt. Da hab ich mich gesorgt! In einem Jahr kommt sie in die Schule. Glaube mir, Mody, wär sie ein Junge, würd ich dich nicht damit belästigen: Ich hätt ihn mit auf die Felder genommen. Aber für ein kleines Mädchen ist es besser, sich zu wappnen und lesen und schreiben zu lernen, das weißt du. Oh, es geht los! Ich nehm sie dir ab, sonst wird dir zu warm.«
    »Nein, nein, laß sie mir, Pietro, ich gebe sie dir nach der Vorstellung wieder, keine Sorge. Von morgen an wird Crispina jeden Tag zu uns kommen, Jacopo kann sich um das kleine Fräulein kümmern, ich habe schon mit ihm gesprochen … Crispina, schau nur, schau, wie Jacopo dich ansieht.«
    »Ist das Giufà?«
    »Nein, Giufà ist noch hinter dem Vorhang. Still jetzt, still, ich höre ein Klagen. Hörst du, wie er weint und seufzt?«
    »Weint Giufà immer?«
    »Nein, jetzt weint er, aber warte einmal ab … Schau da, wie er sich die Haare rauft und gegen Bäume und Mauern stolpert.«
    »Da sind keine Bäume.«
    »Gewiß, er tut nur so, siehst du die Kleiderständer? Das sind die Bäume und die Laken Mauern. Armer Giufà! Aber still jetzt, gleich fängt er an zu sprechen.«

65
    Giufà-’Ntoni: O Unheil! O Unheil! Als ob eines nicht reichte, folgt stehenden Fußes gleich ein zweites. Und aller schlechten Dinge sind drei, wie man weiß.
    Baum-Bambú: Von welchem Unheil sprichst du denn, Giufà? Du siehst doch gesund und munter aus, so elegant in deinem kuhfladenfarbenen Anzug mit einem Tupfer gelben Spatzenschisses am Hut.
    Giufà: Der Hut war einst von strahlendem Grün. Dann hat mir eine Kuh daraufgekackt, nicht etwa eine Amsel oder ein Kanarienvogel … eine Kuh!
    Baum: Von Anbeginn der Welt steht die Kuh fest auf der platten Erde. Wie konnte sie dir da auf den Kopf machen?
    Giufà: Ich leide! Ich leide! Und davor litt ich noch mehr, und beim Leiden bin ich in der Nähe vom Stall eingeschlafen, und mit diesem Hut auf dem Kopf hat mich die Kuh mit einer Wiese verwechselt.
    Baum: Und das ist das Unheil, das dich so bedrückt?
    Giufà: Wenn’s nur das wäre! Ganz andere schmerzvolle Dinge lasten auf Giufàs Seele. Und sie lasten dort schon so lange, daß ich nun mit größtem Schrecken merke, daß ich erblindet bin.
    Baum: Aber du bist gar nicht erblindet, Giufà. Das ist die Nacht, die hereingebrochen ist.
    Giufà: Du willst mich wohl verulken, Fremdling. Ich bin blind. Und der Beweis ist, daß du mit mir redest und ich dich nicht sehen kann. Jawohl! Giufà hat einen scharfen Verstand. Und der Verstand sagt mir, daß, wenn du mich siehst, die Sonne scheinen muß.
    Baum: Es ist Nacht, Giufà, glaube mir.
    Giufà: Meinst du? Aha, also Nacht, wie? Und wie kann es sein, daß Giufà in seinem Schmerz zehn Stunden geschlafen hat?
    Baum: Du kleingläubiger, dummer Junge. Du siehst mich und erkennst mich

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