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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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fühle mich schon ganz und gar getröstet!
    Mond: Wir heben jetzt von der Erde ab. Winke dem Freund Baum zum Abschied zu.
    Giufà: Oh, Mond, wie hoch es geht. Das ist ja schon ein ganzer Meter, zwei Meter! O Gott, Mond, und wenn ich falle?
    Mond: Man fällt, wenn man mit den Füßen auf der Erde steht und zuviel nachdenkt, doch nicht mit mir, der ich die Augen voller Wolken und Kometen habe.
    Giufà: Oh, der Komet! Lebt wohl, Freund Baum, lieber Wald! Und was sind das für Lichter, die dahinten im Meer so schön flirren?
    Mond: Das sind die Delphine, die in meiner Spur springen, voll Freude über meinen silbernen Schein …
    Ganz gefangen von Crispinas kleinem Körper, der sich dem aufsteigenden Giufà nachreckt, bemerkt Modesta nicht die Stille neben sich, bis Crispina wieder in ihren Schoß zurückfällt und seufzt:
    »Giufà ist verschwunden! Dort hinten ist er verschwunden, warum?«
    Wie hatte es mir nur entgehen können, daß Joyce aufgestanden war? Das Kind wiegt schwer, und sein warmer kleiner Körper bringt Modesta zum Schwitzen.
    »Ja, hier, Pietro, nimm sie.«
    »Ich gehe nicht mit Giufà, Vater, ich bleibe bei dir!«
    »Du bleibst bei mir, natürlich. Was für ein schönesSchauspiel! Ich habe zwar noch nie ein Theater gesehen, aber …«
    »Laß mich vorbei, Pietro.«
    »Oh, Durchlaucht, verzeiht mir! Seid Ihr wegen der Dame so besorgt? Sie ist schon lange weg. Vielleicht wegen der Hitze, Mody. Und wegen Giufà und all der Picciriddi.«
    Modesta kann nicht in den Applaus einstimmen, der abebbt und anschwillt wie eine warme Welle. Energisch zerteilt sie das ihre Bewegungen hemmende Meer und steht wenige Sekunden später vor Joyces Zimmertür. Die Handflächen an die Tür gelegt, hält sie inne. Und wenn sie auch hier nicht ist?
    »Joyce, darf ich hereinkommen?«
    Sie ist da und raucht. Vielleicht hat ihr Verschwinden nichts zu bedeuten, vielleicht wollte Joyce nur rauchen, da die Kinder, damit alles »wie im richtigen Theater« sei, große Schilder aufgehängt hatten mit der Aufschrift: »Rauchen strengstens verboten«.
    »Komm herein, Kleines, die Tür ist offen.«
    Sie sitzt in ihrem Sessel, den sie zum Fenster gedreht hat, den Kopf leicht nach links geneigt, wie immer, wenn sie raucht. Auf dem niedrigen Tisch liegen vier oder fünf angefangene und gleich wieder ausgedrückte Zigaretten. Ihr langes schwarzes Haar zeichnet sich reglos gegen die vom Sonnenuntergang entflammte Scheibe ab. Sie raucht und sieht hinaus, während Modesta noch zittert wegen des leeren Platzes neben sich.
    »Was ist los, Kleines, setz dich. Du verdeckst mir die Sicht auf den Himmel: ein großartiger Sonnenuntergang.«
    »Warum bist du einfach verschwunden? Ich habe dir gesagt, daß ich das nicht ertrage. Bist du böse auf mich?Warum schreist du mich nicht an, wirst wütend, anstatt einfach zu verschwinden. Das machst du absichtlich, du weißt, wie mich das quält, und tust es trotzdem. Dabei habe ich dir doch erklärt, daß seit dem Tag, an dem wir dich gefunden haben …«
    »Ach komm, Modesta, das liegt nun schon so viele Jahre zurück. Seitdem ist nichts mehr vorgefallen. Und außerdem …«
    »Aber ich ertrage es nicht, wenn du das tust!«
    »Ich kann es nicht ändern, glaube mir. So bin ich nun mal, es ist stärker als ich.«
    »Obwohl du weißt, daß ich mich zu Tode erschrecke, daß ich …«
    »Du kannst es natürlich nicht wissen, aber ich nehme mich bei dir schon zusammen, das schwöre ich dir, und versuche, diesem Impuls nicht zu folgen. Aber glaube mir, hinter diesem Verschwinden, wie du es nennst, steckt nichts Schlimmes. Höchstens kleine Überempfindlichkeiten, die in meinem Wesen liegen oder vielleicht meiner fürchterlichen Erziehung zu schulden sind.«
    »Aber kannst du es nicht für mich tun? Ich habe für dich so vieles in meinem Leben geändert.«
    »Offenbar nicht.«
    »Siehst du, daß es sich um etwas Schwerwiegendes handelt und nicht nur um kleine Überempfindlichkeiten, wie du es nennst. Was habe ich getan? Habe ich dich beleidigt? Warum sprichst du nicht mit mir? Mir wäre es lieber, wenn du schreien würdest, mich ohrfeigen würdest, lieber als dieser Krieg des Schweigens, dieses scheinheilige Gerede. Ich habe dir alles gesagt, alles über mich erzählt, du kennst mich wie niemand sonst.«
    »Es ist das erste Mal, daß du mich scheinheilig nennst, Modesta. Das ist ein hartes Wort.«
    »O Jò, verzeih mir. Das wollte ich nicht. Ich schwöre dir, daß ich es nicht so gemeint habe. Ich bin so verwirrt! Nimm

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