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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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So viele wunderbare Ideen, und du arbeitest nicht.«
    »Ich arbeite nicht? Aber ich liebe dich, ich renne mit Jacopo um die Wette, wenn das keine Arbeit ist! Ich arbeite hart, aber voll Freude. Du lachst? Endlich! Mach mir keine Vorwürfe, Jò, ich bin so glücklich. Und jetzt zieh dich um, ich möchte nicht, daß Bambú sich wiederbeklagt, wo sie doch selbst immer so elegant ist, wer weiß, welchen Namen sie sich für Mela einfallen läßt … Dieses Mädchen ist einfach ein Genie.«
    Bambolina wartet an der Tür. Die schmale Taille leicht gereckt vor Empörung, lehnt sie wie ein gespannter Bogen im Rahmen, doch Prando senkt den Kopf mit den Locken, so dicht und kompakt wie bei einem Denkmal, und flüstert:
    »Diese Verspätung werde ich mir nie verzeihen, Ida, nie!«
    »Hör schon auf, Prando, mach es nicht noch schlimmer.«
    »Ich bin mit dem Motorrad liegengeblieben.«
    »Du bist ölig und verdreckt wie ein …«
    »Bambú, bitte …«
    »Aber du bist der Schönste von allen und ich verzeihe dir.«
    »Danke, Cousinchen, aber ich werde es mir trotzdem nie verzeihen!«
    »Los, schnell, setz dich. Siehst du nicht, daß alle schon ihre Plätze eingenommen haben und der arme Jacopo dort oben hockt und uns ganz zu Recht den Scheinwerfer auf den Kopf fallen lassen könnte?!«
    Doch Jacopo ist sich seiner Verantwortung voll bewußt, nun endlich ist er der Mann für das Licht und nicht länger nur Statist, ein stummer Bote in der »Hamlet«-Aufführung, die wenige Monate zuvor so großen Erfolg hatte, und so löst er den Blick nicht von ’Ntonis Hand, die in Kürze den Vorhang heben wird. Nur er kann aus dem Schweigen des Publikums den richtigen Augenblick herauslesen, um die Vorstellung zu eröffnen. ’Ntoni weiß mittlerweile alles über das Theater:
    »Nein, ich habe den richtigen Moment verpaßt, Bambolina!«
    »Aber sie haben doch wie verrückt gelacht!«
    »Es war zuviel! Maestro Musco hat recht, sie haben zuviel gelacht, ich habe sie überfordert, und so konnten sie nicht mehr klatschen wie zuvor.«
    »Puh, ’Ntoni! Seit du diese Witzfigur kennst, bist du eine pedantische Nervensäge geworden.«
    »Angelo Musco ist keine Witzfigur, frag doch Modesta und Joyce, die sind nicht so dumm und provinziell wie du. Angelo Musco ist ein großer Künstler! Und wenn du das noch einmal sagst, gehe ich auf der Stelle weg, dann will ich mal sehen, was für ein tolles Spektakel das wird. Dilettanten!«
    Sie mußten sich schneller als sonst versöhnt haben. Normalerweise sprachen Bambú und ’Ntoni nach einem Streit zwei, drei Tage nicht miteinander. Oder lag es an der bevorstehenden Aufführung, daß sie sich schon nach wenigen Stunden wieder angenähert hatten? ’Ntoni hatte sich als Giufà verkleidet und Bambolina um ihre Meinung gebeten, und Bambolina hatte ihn auf die Stirn geküßt, bevor der erste Zuschauer den Saal betreten hatte. Als dieser dann kam, rasiert und in eng anliegenden Festtagskleidern, war es Pietro. Und vielleicht wegen seiner massigen Statur hatte er sich sofort in die letzte Reihe gesetzt mit seiner Tochter neben sich.
    Wie sollte das arme Mädchen nur die Bühne sehen, mit dieser Mauer aus Jungen- und Mädchenköpfen vor sich? Jedes Jahr wuchs der Freundeskreis, es gab keinen freien Platz in dem kleinen Theater, obwohl viele Freunde fehlten … Paolo, Andrea, Franco, die einberufen worden waren, um in Abessinien für das Reich zu kämpfen. Nur die Differenz weniger Jahre hatte Prando davor bewahrt,ihnen zu folgen, doch nichts konnte ihn über den Tod von Franco hinwegtrösten, auch nicht die goldene Gedächtnismedaille, die die Mutter des Jungen ihm mit den Worten gezeigt hatte:
    »Ein Held! Du hattest einen Helden zum Freund, Eriprando, darauf kannst du stolz sein.«
    »Eine dumme Gans ist diese Donna Emanuela di Valdura, keine Frau, daher ist es keine Beleidigung, wenn ein Brandiforti ihr den Gruß verwehrt. Und wenn doch, soll sie ihren anderen Schwachkopf von Sohn zu mir schicken, um die Beleidigung reinzuwaschen.«
    Der Pfarrer hatte Modesta aufgesucht, um zu berichten und Protest einzulegen, doch erst der Klang der Messer konnte die Gemüter beruhigen. Vor ihr in der ersten Reihe saß Prando, quer über der Wange vom Auge bis zum Kinn die frische Wunde, doch der Schnitt ließ sein marmornes Profil nur noch vollkommener erscheinen. Die Narbe unter Modestas Pony pulsierte angesichts der Brutalität, die in diesem Profil lag. Prando wurde erwachsen, ihrem Leben fremd und kostbar zugleich. Bambú

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