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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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dich mit Renan und dann mit Fräulein Joland, wie ihr über den Weg des Lebens marschiert und euch gegenseitig geißelt. Fast wäre auch ich auf diese Via crucis der Läuterung eingebogen. Dein Zorn, das sehe ich nun, ist keine Eifersucht, es ist nur Zorn und Neid gegenüber jedem, der dich mit Freude anblickt, der dein Leiden nicht teilen möchte. Ich drehe mich um und verlasse den Raum. Es ist dunkel in diesem Raum, und draußen scheint die Sonne …
    »Wo willst du jetzt hin? Was macht ihr immerzu, du und Jacopo? Hast du ihn dir ins Bett geholt? Der Junge hat so eine Hausherrenattitüde angenommen, du bist zu allem fähig! Du hast mich niemals geliebt, für dich war ich nicht mehr als eine Zerstreuung in langweiligen Zeiten …«
    Wie kann ich ihr verständlich machen, daß ich sie liebte, solange sie mir als Frau erschien, solange meine Finger sich auf die zarte Haut legten, die vollen Brüste,den süßen Bauch? Doch nun, wo ich sie eingeschlossen sehe in den gefühllosen Panzer eines machtlosen Mannes, geht mir jede Einbildungskraft verloren, und ich laufe zu Mattia, der nach vielen Monaten endlich mit Geld aus Amerika zurückgekehrt ist.
    »Wie war’s, Mattia?«
    »Wie war was? … Als du mitten im Satz vom Schlaf überwältigt wurdest? Was weiß ich! Wer versteht schon, was in diesem Köpfchen hier vor sich geht! Ich hatte dich rein geschäftlich angerufen, und schon kommst du angerannt, fragst weder wie noch wann, nach allem, was ich durchgemacht habe, um dir diesen Gefallen zu tun, und dann schläfst du einfach ein.«
    »Wer hat mich in dieses Bett gelegt?«
    »Ich. Oh, eine Nacht und einen Tag hast du geschlafen! Ich habe Stella angerufen, ich war erschrocken, aber sie hat mir versichert, daß alles in Ordnung ist … Klar hast du mich erschreckt, du hast dich ja wie wild hin und her gewälzt. Einmal hast du gesagt, sie wollten uns trennen. Verstehe einer euch Frauen! Bist du vielleicht Schlafwandlerin? Erinnerst du dich wenigstens an den Telefonanruf?«
    »Ich hatte eben Lust, dich zu sehen, du warst lange weg, Mattia.«
    »Na ja, solche Dinge regelt man nicht in zwei Tagen, Mody.«
    »Und wie kommt es, daß du mich Mody nennst?«
    »Wenn mein Vater dich Mody nannte, packten mich eine Eifersucht und ein Haß auf dich, die mir jetzt sehr merkwürdig vorkommen. Wie sich doch alles ändert, wenn der Sensenmann durch die Reihen geht und die Vergangenheit lichtet.«
    »Und warum hast du mich in dieses Zimmer gelegt? Warum ist es so still hier auf Carmelo?«
    »Sie sind alle tot, und ich habe alles abgeschlossen. Was soll ich mit so vielen Zimmern und Salons? Nur dieser Trakt ist noch offen: drei Zimmer und eine elektrische Kochplatte, wie in Amerika.«
    »Und wer kümmert sich um dich?«
    »Es kommt eine Frau, die putzt und darauf achtet, sich nicht blicken zu lassen. Ich kann Essen und gedeckte Tische nicht mehr sehen. Gefällt dir dieses Zimmer etwa nicht?«
    »In diesem Zimmer bin ich aufgewachsen, Mattia, aber es war ganz anders. Ich habe es nur an der großen Fensterfront wiedererkannt.«
    »Tja, ich habe all den Mist von Spiegeln, Vasen und Stoffen wegschaffen lassen! Warum weinst du?«
    Er lächelt und zieht seine Pfeife aus dem blauen Samttäschchen, und ich weiß, daß er nichts mehr sagen wird, bis die kleine Glut nicht stetig brennt. Langsam verbreitet sich der Tabakduft im Zimmer und verwandelt es in jenen fernen, kahlen Raum aus Holz, der nach Harz und Carmines weißen Locken roch. Noch ein Jahr oder zwei, und auch seine graumelierten Haare werden weiß schillern wie Schnee.
    »Was ist, Mody, warum siehst du mich so an?«
    »Läßt du mich einmal ziehen?«
    »Natürlich, die Teufelin raucht sogar Pfeife! Das hatte ich vergessen! Nimm sie, ich stopfe mir eine andere, aber behandele sie gut, du hältst mein Lieblingsstück in den Händen. Seht nur, wie sie raucht, wo hast du das gelernt?«
    »Jetzt, wo deinen Worten nach der Sensenmann einiges zwischen uns geklärt hat, kann ich es dir ja sagen: Dein Vater hat es mir beigebracht.«
    »Noch während ich fragte, kannte ich bereits die Antwort, Mody. Aber du solltest nicht ›dein Vater‹ sagen, sondern lieber ›Carmine, der Padrone‹.«
    »Dann hast du immer noch nicht deinen Frieden mit ihm gemacht?«
    »Nein! Mit der Herrschaft kann uns nicht einmal der Sensenmann versöhnen. Ich hasse ihn heute mehr denn je, denn – ich habe darüber nachgedacht, das kannst du mir glauben, ganz allein in diesem Totenhaus habe ich darüber nachgedacht – ich

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