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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Weide über meine Stirn.
    »Deine Hände sind kühl, Mattia, wie kann das sein?«
    »Ich bin nicht gerannt und hatte keine Erscheinung. Schweig, Modesta. Wenn sie tot ist in dir, vergiß sie, oder sie wird ewig kommen und dich stören.«
    »Sie ist böse, diese Frau, wie Inès. Sie beherrschen die Kunst des Vergessens nicht und rächen sich an allen, an sich selbst, an Männern und Kindern. Weißt du, warum sie herkam? Wie die heilige Rosalia will sie den mit Diamanten besetzten Goldmantel und gleichzeitig ein mit dem Schwert gegürteter Mann sein.«
    »Das Blut hat sich beruhigt.«
    »Und deine Hand ist warm.«
    »Sei jetzt still, Mattia trägt dich ins Haus. Wir stellen uns gemeinsam der Hitze, und zu Hause legen wir ein schönes, kühles Tuch auf die erregte Stirn.«
    »Mit dem feuchten Handtuch geht es gleich besser, stimmt’s? Du kannst wieder lächeln.«
    »Ja, und nie mehr will ich in der Hundstagshitze hinausgehen, Mattia.«
    »Sicher, diese Stunde des Tages ist nicht zum Ausgehen gemacht. Nur die herrenlosen Hunde wagen es … Sie laufen im schmalen Schatten der Mauern oder halten sich ruhig wie Ziegen. Hast du um diese Uhrzeit die Ziegen im Steinbruch gesehen? Wenn du nicht ganz genau hinschaust, erkennst du sie kaum, sie wirken wie aus Stein gemeißelt. Nicht einmal die Augen bewegen sie, während sie warten, daß die größte Hitze vorübergeht und sie wieder atmen können.«
    Während ich warte, daß die größte Hitze und die Geistererscheinungen vorübergehen, presse ich mich anseine Brust. Mit Einbruch der Dunkelheit strahlt die Lava die Hitze ab, die sie tagsüber aufgesogen hat, und wenn du dich auf sie legst, wärmt sie dich, während der Wind gefriert.
    »Was ist nun, Mody, warum zitterst du? Ist dir wieder kalt geworden?«
    »Ein wenig.«
    »Ich hole dir noch eine Decke.«
    »Aber du zitterst ja auch.«
    »Ja, aber nicht vor Kälte. Ich habe dich begehrt, Modesta, deine Umarmung hat in mir die Begierde nach dir geweckt.«
    »Und warum hast du es vor mir verborgen?«
    »Weil man keine Umarmung ausnutzen darf, die auf Dankbarkeit beruht oder auf Müdigkeit oder auf Schmerz. Und während du schliefst, bin ich gegangen und habe mir meine Glut von einer Samtenen kühlen lassen.«
    »Du nennst sie immer noch die Samtenen?«
    »Und wie sollte ich sie sonst nennen? Mit den Spottnamen der Ausländer?«
    »Die Samtenen … so lange habe ich das nicht mehr gehört! Unsere Sprache stirbt, Mattia, und die Insel wird ihr lange nachtrauern. Tuzzu sagte immer: ›Die Farben entspringen dem Herzen, die Gedanken der Erinnerung, die Worte der Leidenschaft.‹«
    »Wer war Tuzzu?«
    »Ein Junge, der alle Wörter kannte und sie mir beibrachte. Magst du Wörter, Mattia?«
    »Nein, ich mag die Stille.«
    »Und du nimmst sie auf …«
    »Heute nacht wird es regnen, es war zu heiß … Ist die Kälte verflogen?«
    »Ja, und bei dir, ist deine Begierde verflogen?«
    »Die Wörter haben sie nur gedämpft, Modesta.«
    »Und warum kommst du nicht näher?«
    »Ich weiß, daß ich dich jetzt haben könnte, du hast es mir gesagt. Aber ich möchte keine Verwirrung stiften. Ich bin noch gesättigt von den Zärtlichkeiten der Samtenen. Schlaf, und morgen sehen wir, ob du dich erkältet hast oder es nur die Aufregung der Rückkehr war.«
    »Wohin gehst du?«
    »In mein Bett.«
    »Ich habe Angst, auf diesem Haus lastet immer schwerer die Stille. Als du mit mir durch die Hitze geflogen bist, habe ich alle Balkone, alle Fenster des Hauses gesehen, und sie waren alle leer.«
    »Es ist keiner mehr da. Lange Flure mit Zimmern, die meine Leere und die der Einsamen in sich verschließen. Wenn du Angst hast, lege ich mich hier aufs Sofa. Sorge dich nicht, ich lasse dich nicht allein, nun schlaf.«
    Als hätte der Schlaf auf seinen Befehl gewartet, um sich herabzubeugen und die Erinnerung zu löschen, schlafe ich in der sicheren Wiege seines Atems ein und habe keine Angst, als er sich im Morgengrauen über mich beugt und leise sagt: »Wie ich vermutet habe, Mody, es hat die ganze Nacht geregnet. Jetzt ist es vier, fünf Stunden lang frisch. Willst du mich? Oder nutzen wir die Frische besser, indem ich dich nach Hause bringe?«
    »Nein, hier will ich bleiben.«
    Auf den warmen Fels seiner Brust lasse ich erst meine Hände, dann meine Wangen sinken, und er umarmt mich. Woher sollte ich es wissen, wenn er es mir nicht sagte, daß auch auf der ruhigen Wiese der Freundschaft eine Wonne wachsen kann, die größer ist als Leidenschaft? Sichere,

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