Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
Vom Netzwerk:
habe Frau und Kinder verloren, weil ich seiner Erziehung zur Habgier gefolgt bin. Ich habe ihn schon vor einer Weile begraben, auf einem Feld, weit entfernt von dieser Brust. Ich habe seine Stimme in mir getötet und will nichts mehr von dem, was er zurückgelassen hat. Auch deswegen bin ich zu dir zurückgekehrt. Du Sphinx hattest mir meinen Irrtum angesehen und mich gewarnt. Du hast mich damals zurückgewiesen, weil du keinen Padrone wolltest, und ich bin zurückgekehrt, um von dir die Wahrheit zu erfahren. Oh, ich will keine Antwort, die man mit Worten geben kann, solche Dinge lernt man nicht aus Worten. Ich habe dich angeschaut, ich habe deine Söhne angeschaut, und nun schaue ich dich an …«
    »Und was siehst du?«
    »Eine große Freiheit, zu denken und zu handeln! Wie hast du dir nur soviel Freiheit erobern können? Da unten in der Villa Suvarita waren sie nicht einmal über deinen Weggang erstaunt.«
    »Ich habe sie daran gewöhnt.«
    »Und wie?«
    »Indem ich ihnen dieselbe Freiheit zugestehe. Als sie klein waren, zog ich nach Catania in ein Hotel, teils um sie nicht zu hören, teils um sie daran zu gewöhnen. Manmuß zwischen die, die man liebt, und sich selbst Abstand bringen, der Abstand klärt fast noch mehr als der Sensenmann.«
    »Ach, hast du deshalb auch Prando fortgeschickt?«
    »In ihm begann langsam das Unkraut der Herrschsucht zu wuchern, und wann immer dieses Kraut auf dem Grund eines Tudia sprießt, muß er fort und sich seine Sklaven woanders suchen, das Land ist voll davon.«
    »Nur daß wir Tudia jene nicht lieben, die du Sklaven nennst. Es treibt uns, das zu unterwerfen, was frei ist.«
    »Ich weiß. Auch in mir spüre ich diese Neigung, aber ich pflege sie nicht. Es führt zu nichts, Mattia! Wenn du sie unterjocht hast, wirst du zum Sklaven, indem du diejenigen überwachen mußt, denen du die Fähigkeit genommen hast, aus eigener Kraft zu überleben, und die sich wie Läuse bei dir einnisten.«
    »Redest du so auch mit deinen Kindern? Machst du dir um sie und ihre Zukunft keine Sorgen?«
    »Wenn du das Feld gedüngt hast, wächst der Setzling, Mattia. Du hast mir Gold für Düngemittel gebracht.«
    »Ich dachte, du wolltest es anhäufen.«
    »Nun redest du wie dein Vater. Geld dient dazu, jetzt frei zu sein, nicht in einer ungewissen Zukunft.«
    »Eines Nachts in Las Vegas war ich kurz davor, alles zu verlieren, was Carmine angehäuft hatte. Mich hatte eine Verschwendungswut gepackt, und ich habe verloren, verloren, bis mich etwas gestoppt hat … wie ein Druck, ein Zorn auf diese Mauern aus Stahlbeton und glänzendem Glas, die bis in den Himmel reichen. Großartige Kathedralen der Macht, so waren sie mir jahrelang erschienen, und dann … ich weiß nicht, Mody … In dieser Nacht war ich sturzbetrunken, und am Fenster, wo ich etwas Luft schnappen wollte – drinnen war es heiß – , überkam micheine plötzliche Sehnsucht nach unseren Tälern voller Mandelbäume und den zum Meer hin abfallenden Orangenhainen, und einen Augenblick glaubte ich vom Duft ihrer Blüten umgeben zu sein. Ich bin wohl ohnmächtig zu Boden gesunken, und als ich erwachte, wußte ich, daß ich das bißchen Land, das mir noch blieb, düngen mußte, und so kehrte ich zurück. Auch wenn nur dieses Totenhaus auf mich wartete, die Pflanzen leben noch, und ich wußte, daß ich jenem Duft Nahrung geben mußte.«
    »Soviel hast du verloren?«
    »Fast alles. Aber genau wie du sagst, ich fühle mich befreit, und ich kann wieder schlafen. Wie ist das möglich? Das wollte ich dich fragen.«
    »Du fragst, was du schon weißt. Die Reichtümer waren dir zur Last geworden.«
    »Von jenen Jahren, in denen ich nur mit Geld jonglierte, ist mir kein einziger Tag in Erinnerung geblieben. Wie ein von den Toten Auferstandener entdecke ich nun alles neu, und jener Abend bei dir im August war für mich wie eine Taufe. Auch wenn ich nur als heimlicher Beobachter dabeisein durfte, habe ich doch den Gesang der Mandolinen, deinen Wein, eure Fröhlichkeit in mich aufgesogen, endlich wieder Klänge und Aromen wahrgenommen. Wie kann das sein, Sphinx?«
    »Du willst Worte für das, was du schon weißt, Mattia.«
    »Zur Bestätigung. Man muß den Stein des Ätna berühren und das Wasser des Simeto, um zu wissen, daß es wirklich Wasser, daß es Stein ist. Jetzt werde ich müde. Und auch der Schmerz, der mir wie eine raschelnde Schlange über den Arm gekrochen ist und mich genau hier ins Herz gebissen hat, läßt mit der Müdigkeit nach. Was kann

Weitere Kostenlose Bücher