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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Weibsstück!«
    »Ich habe nur vorgesorgt.«
    »Dann paß mal lieber auf, deine Angelegenheit fällt nicht in meine Zuständigkeit. Aus Berlin kam schon die Anweisung, in deinem Fall zu ermitteln. Und einer der beiden Typen hier ist extra wegen dir aus Rom gekommen!«
    »Ob das Timur war?«
    »Wer ist Timur, was redest du da?«
    »Joyces Bruder.«
    »Nein, Joyce hat nichts damit zu tun und auch nicht dieser … wie sagtest du? Ach, wen interessiert’s! Die Lage hier ist viel zu ernst! In Paris wurde ein Mann verhaftet, ein Spion, ein gewisser Marabbito, der beteuert, du habest all die Jahre nichts anderes getan, als die Genossen im Ausland zu finanzieren und zu spionieren und was weiß ich!«
    »Das ist alles? Und deswegen regst du dich so auf? Ich hatte schon befürchtet …«
    »Immerhin reicht es, um dich für viele Jahren ins Gefängnis zu bringen.«
    »Na, ich hatte mit Schlimmerem gerechnet.«
    »Was, verdammt, hast du denn noch Schlimmeres angestellt, du Wahnsinnige? Was hast du angestellt?«
    Pasquale läuft kreischend wie ein verrückt gewordenes Huhn durchs Zimmer. Innerhalb weniger Jahre hat er alle Haare verloren. Hinweg die dichte Mähne blonder Locken – er sah aus wie ein richtiger Engel! –, der kleine runde Schädel ist glatt wie ein Straußenei. Ihm bleiben nicht einmal die paar schwarzen Strähnen, die die Mutter Tina immer so sorgfältig über den kahlen Kopf drapiert hat … Einen Moment lang war Modesta versucht, diesen dünnen Hals mit einem Messerhieb zu durchtrennen, mit Mutters großem Messer, mit dem sie die Hühner tötete. Keine schlechte Aussicht, dieses Ei zwischen den prunkvollen, düsteren Möbeln des Salons durchkullern zu sehen, bei einer Zigarette das komische Spektakel zu beobachten und gleichzeitig seinen schwitzigen Darbietungen in den Wohnzimmern ein würdiges Ende zu setzen, wenn er in Uniform die Anwesenden mit antifaschistischenWitzen unterhielt und manchem hohen Tier dabei zuzwinkerte: »Die Insel hat schon viele Stürme erlebt, wir sind ja erfahrene Seeleute!«
    »Bist du verrückt? Hast du die Sondergerichte vergessen? Sie verdächtigen dich der Spionage, hast du das noch nicht begriffen?«
    »Willst du mich daran erinnern, daß die Todesstrafe wieder eingeführt wurde?«
    »Und du betrachtest dich im Spiegel?«
    »Zum Glück habe ich in der Eile noch Bambús Handtasche greifen können. Sie ist hübsch, nicht wahr, Pasquale? Schau nur die schönen Perlen, zum Glück sind Puder und Lippenstift darin. Bambolina beherrscht diese Dinge wie ihre Mutter. Ich habe mich vernachlässigt in letzter Zeit, das war ein Fehler.«
    »Was soll das, schminkst du dich jetzt? Ich werde dich nicht nach Palermo begleiten können. Du wirst den Schergen, die dich vernehmen, ausgeliefert sein, da hilft dir kein Puder!«
    »Du irrst dich, Lippenstift und Puder! So übel bin ich noch nicht, oder, Pasquale? Der Große hat mir gewisse Blicke zugeworfen …!«

80
    »Fürstin, Fürstin, Euer Durchlaucht, seid so gütig und nehmt heute nacht hiermit vorlieb. Ihr könnt Euer Bett mit einem Vorhang abtrennen. So müßt Ihr die da nicht sehen … aber sie schläft sowieso immer! Leider hatten wir keine andere Anweisung … Wenn sie Euch belästigen sollte, laßt es mich unverzüglich wissen. Morgen werden wir dann ein Einzelzimmer für Euer Durchlaucht finden.«
    Diese Stimme – könnt ihr sie hören? – ist nicht sanft wie die Madre Leonoras, und doch muß ich auf sie hören und tun, was sie sagt. Sie meint, ich solle mich vor dem Anblick der alterslosen, zerzausten Frau ekeln, die ihren Kopf in den Händen verbirgt und, am ganzen Leib zukkend, zur Mauer gewandt daliegt. Und ich tue wie verlangt, ziehe ein angewidertes Gesicht, aber nicht übertrieben: ein von großer Barmherzigkeit gemilderter Ekel. Ich befinde mich in den Händen von Menschen, die behaupten, an die Barmherzigkeit zu glauben.
    »Euer Durchlaucht sind zu gütig, eine wie die da zu bemitleiden, so eine subversive Kommunistin verdient kein Mitleid.«
    »Wer ist sie?«
    »Eine vom Kontinent, eine unglückselige Kreatur! Sie stand nicht einmal besonders hoch bei ihnen, wie die aus der Zelle nebenan, die sich brüstet, eine Anführerin der Roten zu sein, eine Frau und Anführerin der Roten, was es nicht alles gibt! Oh, Fürstin, ich sehe Euch betrübt … Euer Durchlaucht sind sicher müde, ich lasse Euch nun ausruhen.«
    Mit einer leichten Verbeugung zieht sie sich zurück und wiederholt mit der Andeutung eines Lächelns: »Gute Nacht,

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