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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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gräbt … Da, wir biegen um die Ecke und sehengroße Lastwagen der Deutschen auf der Straße, vollgeladen mit Sand, bei laufenden Motoren, und in den Dünen riesige Bagger, die uns unser Sonnenmehl, wie Tuzzu den Sand nannte, entreißen. Die Deutschen rauben unseren Strand … um Festungen daraus zu machen?
    »Könnte ich eine Zigarette haben?«
    »Sicher, Fürstin.«
    Ich muß rauchen, doch nur, um nicht den Geruch des Lavendelwassers auf den perfekt rasierten Wangen zu riechen. Wer weiß, warum ich so lange damit gewartet habe, diese duftende Wärme zu genießen, in der die fremden Gesichter in einen ruhigen Nebel entrücken und die Gedanken sich sammeln. Die Bewegung, mit der diese kleine weiße Rolle an die Lippen geführt wird, löst die Spannung, so daß man in aller Ruhe dem winzigen Flämmchen zusehen kann, das sich ganz allmählich dem Mund nähert. Joyce hatte recht, wenn sie vorsichtig, fast andächtig, ihren Schatz aus dem Etui zog. Doch ihre waren nicht weiß und leicht wie diese, sondern aus schwarzem Tabak in gelbem Papier.
    »Noch eine Zigarette, Fürstin? Aber bitte, bitte, ich überlasse Euch das ganze Paket.«
    Das große schwarze Auto hält vor dem Tor der Präfektur. Die Reise ist zu Ende. Es muß Sonntag sein, bei all den schwarzen Faltenröcken, die in Zweierreihen die Bürgersteige bevölkern. »Der Duce hat uns von Miedern und lästigen Kleidern befreit, flink sollen wir sein, mit niedrigen Absätzen und schnellen Schritten, dem Vaterland zu dienen.«
    Und es dauert eine ganze Weile, bis sie alle vorübergezogen sind und wir durch das große Tor hineinfahren können.
    »Es ist eine Schande, Fürstin, eine Schande!«
    Wenn der Verräter Pasquale mich nicht mit Vornamen anredet, hat er einen Grund, den ich bedenken muß. Mit diesem Titel erinnert er mich an meine Würde. Ich hatte vergessen, daß ich eine Fürstin bin, und dieser Sessel in der Präfektur ist sehr bequem. Der Kopf ist mir schwer, doch ich vertreibe den Schlaf und richte mich auf. Ich hatte bisher wohl noch nicht gelächelt, denn als ich seufzend meine Lippen öffne, sehen mich die beiden Beamten in Zivil erstaunt an.
    »Das finde ich allerdings auch, Präfekt. Ich werde mich nicht erniedrigen und nach dem Grund für das Ungemach fragen, das Ihr mir bereitet. Ihr habt mich gestört und beleidigt!«
    Bei diesen Worten stecken die beiden tuschelnd die Köpfe zusammen. Dann zischt mir der eine bedauernd zu:
    »Befehl von oben, Fürstin, aber ich versichere Euch, daß es uns sehr leid tut.«
    »Aber gewiß doch. Eine Verwechslung! Ich habe alles getan, damit Ihr nicht belästigt werdet. Eine Fürstin mit Verbindungen zu diesen Hungerleidern von Kommunisten, man stelle sich vor!«
    »Eben, Pasquale! Ich kann dich doch duzen, wie wenn wir unter uns sind, nicht wahr? Es beruhigt mich irgendwie …«
    »Aber gewiß, Fürstin, Eure Freundschaft ist mir eine Ehre. Und ich möchte noch einmal klarstellen, daß ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe. In Rom trafen Befehle aus Berlin ein: eine Verwechslung, ganz bestimmt!«
    »Aus Berlin?«
    Timur hatte so harmlos gewirkt, doch Joyce hatterecht behalten: »Er ist gefährlich, Modesta, gefährlich wie alle linken jungen Männer, die zu den Faschisten überlaufen … Sie sind die gefährlichsten, als wollten sie sich von einer schändlichen Vergangenheit reinwaschen.«
    »Wir sind geliefert, Modesta, geliefert!«
    »Aber sie sind doch weggegangen, Pasquale.«
    »Um zu telefonieren, nur um zu telefonieren … Verflucht sollen sie sein, verdammt noch mal! Und was fällt dir bloß ein, vor denen einfach unsere Freundschaft aufzudecken? Wenn sie nachforschen, finden sie heraus, wer ich war.«
    »Eben. Das war meine Absicht.«
    »Toller Dank! Und was bedeutet das? Ist dir klar, wie dumm das von dir war, wie himmelschreiend dumm? Wenn sie mich im Verdacht haben, wie soll ich dir dann helfen?«
    »Das stimmt nicht ganz! Du entsprichst der Norm. Ihr wart alle auf unserer Seite, zuerst. Und du weißt genau, daß dir das nicht schadet. Indem ich aber unsere Freundschaft hervorhebe, wirst du mir helfen müssen, ob du willst oder nicht.«
    »Raffiniert! Aber ich hätte dich sowieso gerettet.«
    »Ich habe dir noch nie geglaubt, Pasquale, oder vielmehr habe ich immer geglaubt, daß du zwei Eisen im Feuer hast, solange es aussah, als würde der Faschismus nach fünf oder zehn Jahren enden, aber mittlerweile paßt es euresgleichen besser, alles über Bord zu werfen.«
    »Verfluchtes

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