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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Mütter lehren euch gar nichts.« Ehrlich gesagt, Carmine, lehren sie weder uns noch euch etwas. Aber so wie du Geduld mit mir gehabt hast, werde auch ich Geduld mit Carlo haben.
    Die erste Woche von Beatrices Krankheit
    »Du liebst mich nicht, Modesta.«
    »Warum sagst du so etwas, Carlo? Habe ich dich etwa abgewiesen?«
    »Nein, das nicht. Aber du sagst mir nie, daß du mich liebst, während wir uns umarmen.«
    »Während wir miteinander schlafen, meinst du?«
    »Siehst du, wie roh und gefühllos du bist? Außerdem spüre ich, daß du danach kühl und distanziert bist.«
    »Wie eine Dirne soll das heißen?«
    »Bist du verrückt geworden? Ich habe nur mit freien Frauen, aber mit anständigen, zu tun gehabt. Und was weißt du schon von Dirnen?«
    »Hast du diese anständigen Frauen je umarmt, wie du es nennst?«
    »Natürlich, warum denn nicht?«
    »Und wie haben die sich danach gefühlt? Waren sie nicht kühl und distanziert wie ich? Wie waren sie?«
    »Du stellst vielleicht Fragen, Modesta. Woher soll ich das wissen, ich kann doch nicht in sie hineinschauen.«
    »Du hast also viele Frauen geliebt und kannst mir nicht einmal sagen, was sie dabei empfunden haben?«
    »Es hat keinen Zweck, dir etwas vorzumachen. Das habe ich inzwischen begriffen. Du weißt immer alles. Vor dir hatte ich nur solche Frauen, die unser Turati höflich ›Liebesarbeiterinnen‹ nennt. Bist du nun zufrieden?«
    »Ach, so nennt er sie?«
    »Nur einmal habe ich richtig geliebt, oder zumindest dachte ich das, bevor ich dich kennengelernt habe.«
    »Also hast du doch eine Frau gehabt, die keine ›Liebesarbeiterin‹ war?«
    »Bist du verrückt geworden! Sie war ein Mädchen aus sehr gutem Hause und …«
    »Habt ihr euch wenigstens manchmal geküßt oder …«
    »Geküßt? Nicht mal im Traum! Ich war unglaublich verliebt und habe sie respektiert.«
    »Und wie ist es ausgegangen?«
    »So wie fast immer: Sie hat sich für meinen besten Freund entschieden.«
    »Wahrscheinlich hat dieser Freund sie geküßt, während du sie respektiert hast.«
    »Als ginge es immer nur um …«
    »Worum, Carlo? Weshalb sprichst du es nicht aus? Um Sex? Ist das so ein häßliches Wort? Findest du mich jetzt häßlich, da ich deine zornigen Lippen sehe und nur küssen will, statt böse zu werden?«
    »O Modesta, was für volle, süße Lippen du hast! Ich hätte Lust hineinzubeißen.«
    »Beiß nur, aber sachte, Carlo, sachte, um Himmels willen!«
    Unter der Decke tastete ich mich mit der Hand an seinem Oberkörper und den schmalen Hüften entlang. Er hatte beinahe eine so zarte Haut wie Beatrice, aber die Haare und der Penis zwischen seinen Beinen waren kräftig und männlich. Was für eine Hast packte ihn nur und ließ ihn dann nicht voll genießen? Der Penis von Carmine war danach immer klein und weich geworden. Und ich hatte mit ihm gespielt.
    »Es stimmt nicht, daß ich dich nicht liebe, Carlo, aber du befriedigst mich nicht. Hilf mir und sei weniger nervös.Du darfst dich mir nicht entziehen, so als wolltest du den Akt am liebsten ungeschehen machen. Nein, geh nicht weg! Das ist kein Vorwurf, auch ich habe es seinerzeit lernen müssen.«
    »Und von wem? Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, daß der Fürst dir das beigebracht hat?«
    »Nein, Carlo, sondern …«
    »Also stimmt das, was man sich in Catania erzählt.«
    »Natürlich! Wie sollte ich von diesem armen Ding ein Kind bekommen haben?«
    »Beatrice hat mir erzählt, daß du dich aufgeopfert hast. Die arme Getäuschte, und ich habe ihr geglaubt!«
    »Beatrice ist zart besaitet und muß geschützt werden. Aber du als Mann hättest das begreifen müssen.«
    »Wie soll ich etwas begreifen, wenn du nie sprichst?«
    »Worte sind da überflüssig. Man schaut genau hin, man beobachtet. Oder hat dir vielleicht die Vorstellung gefallen, daß ich mich aufgeopfert habe? Du antwortest nicht? Jetzt verstehe ich: Du hast dir so wie Dante eine Heilige geschaffen. Oder gefiel dir Petrarca besser? Also hast du aus mir deine keusche, heilige Laura gemacht. Ihr armen Jungen! Wir haben Madame Bovary und ihr eure Laura. Komm schon, Carlo, wir leben im Jahr 1921!«
    »Wer weiß, wie viele von diesen Lehrern du gehabt hast, was? Jetzt verstehe ich, wieso du dich so schnell ausziehst und mich streichelst wie …«
    »Sag es doch, wenn schon nicht das richtige Wort Hure, so doch wenigstens Turatis Euphemismus. Los, sag es, wie eine Liebesarbeiterin?«
    Ein Schauer, diesmal nicht von Küssen, sondern von Ohrfeigen, ging auf

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