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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Vergangenheit interessiert mich einfach nicht. Nur die Gegenwart zählt.«
    »Schade. Denn wenn auch Ihr eine schreckliche Großmutter hättet, könnten wir einen Verein gründen. Und aus dem Verein würde eine Partei, die im Abgeordnetenhaus einen Antrag auf Abschaffung scheußlicher Großmütter stellen könnte. Aber es will mir einfach nicht gelingen, Euch ein Lächeln zu entlocken. Bitte, sorgt Euch nicht. Wie gesagt ist dieses Fieber nicht gefährlich, und auch Beatrices zarte Konstitution ist es nicht. Ihr glaubt mir nicht? Schätzt Ihr mich etwa als Arzt nicht? Aber natürlich, wenn man einen Menschen so lieb hat wie Ihr Beatrice, dann kann weder das Wort eines Arztes noch eines Freundes trösten … Hört mich an, Fürstin, ich liebe Euch. Ich weiß, daß das nicht der richtige Augenblick dafür ist, aber leider habe ich vergebens versucht, diese Liebe zu Euch zu unterdrücken, weil mir Eure und Beatrices Freundschaft sehr viel bedeutet. Wenn Ihr um die Einsamkeit von uns Männern wüßtet, die immer und ausschließlich in den Limbus der Männerfreundschaften verbannt sind. Frei denkende und gebildete Frauen findet man kaum, und das ist für mich ein großes Problem! Ich weiß nicht, wie sich die anderen zufriedengeben mit … Aber darüber können wir noch sprechen. Nein, nein, wir werden nicht darüber sprechen, denn ich merke, daß esmir nicht gelungen ist, meine Liebe zu Euch zu ersticken. Die ganze Nacht habe ich Euch angesehen und festgestellt, daß all meine Mühe umsonst war. Erlaubt mir, nach Beatrices Genesung nicht mehr zu kommen. Außerdem wird es mir guttun, nach Turin zurückzukehren, zum Kampf …«
    »Nein, Carlo, bleib hier.«
    »O mein Gott, Fürstin, was habt Ihr gesagt?«
    »Bleib hier, Carlo, umarme mich.«
    »Ich dich umarmen? Ja … aber jetzt muß ich nach Catania. Nicht wegen des Patientenbesuchs, das war nicht so wichtig, sondern … Ich bin verwirrt, Modesta.«
    »Das glaube ich dir, aber bleib hier, komm zu mir.«
    »Ich liebe dich, Modesta, ich liebe dich so sehr! Weißt du, ich fühle, daß auch du mich liebst, du bist so zärtlich und zitterst … Du sagst nichts? Recht hast du, die Stille ist wunderbar.«
    Er hob mich hoch und legte mich aufs Bett, zog mich aber nicht aus. Ich wußte es, schon einmal war es so gewesen. Wie damals drang er mit seiner Wärme in mich ein, ohne mir weh zu tun. Als sein Kopf auf meine Brust sank, wußte ich, daß er es so genossen hatte wie damals und daß er gleich sagen würde: »Entschuldige die Eile, figghia …« Statt dessen hörte ich mich sagen:
    »Bringen eure Mütter euch gar nichts bei?«
    »Was hast du gesagt? Wie kommst du auf meine Mutter? Woran hast du gedacht?«
    »An uns, an uns alle, und besonders an uns beide und daran, wie wenig wir von der Liebe wissen.«
    »Und was soll das, wenn ich fragen darf? … Kann ich das Licht anmachen, oder schämst du dich?«
    »Ich mich schämen? Warum?«
    »Normalerweise schämt man sich, ich schäme michjedenfalls ein wenig … Zieh dich ruhig an, ich drehe mich um.«
    »Warum schaust du mich nicht an?«
    »Na ja, dein Rock ist hochgerutscht, und …«
    »Ich habe keinen Schlüpfer an? Entschuldige, Carlo, du warst es doch, der ihn mir ausgezogen hat.«
    »Natürlich, aber …«
    »Aber was? Glaub mir, ich verstehe dich nicht. Schämst du dich, oder gefalle ich dir nicht? Das kann passieren, Carlo, ich wäre nicht beleidigt.«
    »Ich liebe dich sehr, Modesta. Du bist seltsam, aber ich liebe dich so sehr! … Wie schön du nackt bist! Ich mache jetzt das Licht aus.«
    »Wenn du mich schön findest, weshalb hast du dann das Licht gelöscht?«
    »Ich weiß nicht, du bist seltsam, Modesta. Du liebst mich nicht.«
    »Warum sagst du, ich würde dich nicht lieben, Carlo, das mußt du mir erklären.«
    »Ich muß jetzt gehen. Du liebst mich nicht. Warum sagst du mir nicht, daß du mich liebst? Sag es mir, ich bitte dich.«
    »Ich liebe dich, Carlo.«
    Im Dunkeln regnete es Küsse auf meine Haare, meine Stirn, ängstliche und leichte Küsse dieser zarten, weichen Lippen, die denen von Eriprando ähnelten. Ich wollte sein Gesicht in meinen Händen halten und suchte mit der Zunge nach seiner, aber diese Lippen, die mit den Zähnen heftig gegen meinen Mund stießen, weckten in mir keine Lust.
    »Ich liebe dich, Carlo, aber jetzt geh.«
    Während er glücklich fortging und mir dabei mit einer Hand winkte, die plötzlich klein und zart wirkte, bliebich in Gedanken an Eriprando bebend im Bett sitzen: »Eure

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