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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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mein Gesicht nieder und ließ meine Wangen ein wenig brennen, wie wenn Eriprando wütend wurde und mit den Fäusten auf meine Schultern, denHals und das Gesicht trommelte. Man mußte ihn lassen und nicht ungeduldig werden, das war nur der schwache Zorn eines anmaßenden, in seinen Erwartungen enttäuschten Kindes. Aber Prando begriff manchmal, nachdem er seine Wut an mir ausgelassen hatte.
    Die zweite Woche von Beatrices Krankheit
    »Verzeih mir, Modesta, ich habe noch einmal über deine Worte nachgedacht, und vielleicht hast du recht. Ich lasse dich nicht reden, unterbreche dich in einem fort. In diesen Nächten, die ich ferngeblieben bin, habe ich kein Auge zugetan. Kaum schlief ich doch einmal ein, erwachte ich sogleich wieder und suchte nach deinem Körper. O Modesta, nenne mich schwach oder was immer du willst, aber ich liebe dich so sehr. Du siehst mich nicht an? Recht hast du. Ich bin wie ein Feigling geflüchtet.«
    »Du bist kein Feigling, Carlo, ich kann dich verstehen. Weder du noch ich sind schuld, sondern allein unsere Vergangenheiten, die so unterschiedlich sind. Und dann vielleicht noch meine Müdigkeit und die Sorge um Beatrice. Entschuldige, aber ich kann vor Kopfschmerz kaum die Augen offenhalten.«
    Ich erwartete eine wütende Antwort, denn ihn anzulügen war nicht leicht. Ich spürte, daß mich dieser Junge auf eine geheimnisvolle Weise so gut kannte wie niemand zuvor.
    »Wie schön du mit geschlossenen Augen bist, Modesta!«
    Vor Überraschung riß ich die Augen weit auf. Er hatte mich aus dem Sessel gehoben, wie er es an jenem fernen Abend mit Beatrice getan hatte.
    »Nein, Modesta, schließ die Augen. Ja, genau so! Darf ich dich ins Bett bringen? Ich ziehe dich aus wie einKind, und dann schläfst du, und ich schaue dich an. Erlaubst du mir, bei dir zu bleiben und dich ein wenig anzuschauen?«
    In seinen Armen auf dem kurzen Weg vom Sessel zum Bett schöpfte ich Hoffnung. Alles endet und beginnt dann von neuem, alles stirbt, um wiedergeboren zu werden, hoffte ich. Mit sicheren Händen zog er mich aus, und ich ließ mich fallen. Unter der Decke überließ sich sein Körper vorsichtig dem meinen, und sein Mund legte sich auf meine Brust. Da er mich nicht sehen konnte, öffnete ich ungläubig die Augen. Mit den Lippen umschloß er meine Brustwarze und sog daran. Ich hoffte, und mit der Hand versuchte ich – jetzt war ich es, die zitterte – seinen Penis zu streicheln. Hatte ich zuviel gewagt? Nein, denn sanft drang er in mich ein und trug mich im richtigen Rhythmus wie damals weit weg in ein kleines, kahles, nach Tabak duftendes Zimmer: »Du mußt mir und dir helfen, Figghia, damit wir gemeinsam die Besinnung verlieren.« Ich biß mir auf die Lippen, denn vom Grund meines verwirrten Herzens war ein Name aufgestiegen. Aber ich hatte ihn nicht ausgesprochen, denn Carlo tobte sich, leicht verschwitzt wie ein Kind, zwischen meinen Brüsten und Hüften aus und flüsterte: »Halt still … So gefällst du mir, still mit geschlossenen Augen.« Jetzt hob er glücklich den Kopf. Ich wollte die Augen geschlossen lassen und nicht sprechen, aber die Tränen, die gegen meinen Willen unter den zusammengepreßten Lidern hervorrannen, sprachen für mich.
    »Was hast du, Modesta, weinst du?«
    »Nichts, Carlo, ich bin nur gerührt.«
    »Gerührt? Du denkst an diesen Mann. Ich ziehe mich an, um acht Uhr habe ich einen Termin, danach reden wir.«
    Wütend nahm er seine Kleider und schlug die Badezimmertür hinter sich zu. Minutenlang blieb das Bad verschlossen. Jedesmal nachdem wir uns geliebt hatten, wusch er sich. Warum? Ich löschte das Licht, und während ich Carmines Namen flüsterte, erreichte ich allein den Orgasmus, auf den ich seit Wochen gewartet hatte.
    »Warum hast du das Licht ausgemacht?«
    »Ich bin müde, Carlo.«
    »Das stimmt nicht, vorhin habe ich dir geglaubt, aber jetzt nicht mehr. Mach die Augen auf, wir müssen miteinander reden.«
    »Bitte, Carlo, morgen. Bisher warst du es immer, der nicht reden wollte.«
    »Bisher schon. Aber jetzt möchte ich alles wissen. Du hast an diesen Mann gedacht, gib es zu!«
    »Nein, Carlo, oder besser gesagt, ich habe an die Freiheit dieses Mannes gedacht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Man liebt sich zu zweit, Carlo. Du hast viele Dinge gelernt, aber …«
    »Aber was? Da bin ich gespannt!«
    »Wenn du die richtige Frau findest, dann laß sie teilhaben, oder bring ihr bei, was sie noch nicht kann.«
    »Wenn ich die richtige Frau finde, hast du gesagt? Soll das

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