Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
heiserer Stimme. »Sie haben uns gesehen. Alma weiß, dass Sie hier sind! Sie haben uns alle zusammen gesehen. Wir müssen fort!«
»Unmöglich«, stöhnte Peregrin Aber, nach seinem Hexenschuss tastend. Nichts von alledem konnte er sich erklären, aber er wusste, wie sich ein Trupp Soldaten anhörte. Und wenn es – aus welchen Gründen auch immer – die böswillige Alma war, die diesen Trupp befehligte, dann …
»Weg von der Insel«, drängte Lunette.
»Ein König weicht nicht!«, brüllte der Erbprinz dazwischen, dessen Haar plötzlich stürmische Wellen schlug. »Nie! Und gewiss nicht vor einer Baronin aus Lug und Trug!«
Aber Lunette hörte nicht. »Habt ihr beide ein Boot?« Er sah Kolman und Bror an.
»Da vorn.« Bror zeigte Richtung Ufer.
»Dann los!« Der Marquis legte eine Hand in Peregrin Abers Rücken, als wollte er ihn anschieben.
»Herr Doktor! Sie müssen in die Karre zurück!«, rief Tabbi.
Erst schnürte sich Peregrin Abers Hals zusammen, dann machte die plötzlich beklemmende Enge Platz für echten Heldenmut. »Laufen Sie, Tabbi!«, sagte er gefasst. »Laufen Sie alle! Ich würde Sie doch nur aufhalten.«
»Nein!« Tabbi griff nach seinem Arm.
»Doch, Tabbi. Denken Sie an Jonas!« Die Soldaten kamen näher. Mit halbem Auge sah Peregrin Aber, wie sich heller Fackelschein über den Weg ergoss. »Mein Gott, Tabbi! So laufen Sie doch!«
Tabbis Haare waren wirr, ihre Augen weit aufgerissen. Sie drückte seine Hand.
Kolman und Bror liefen schon den Weg hinunter.
»Kommen Sie endlich!« Der Marquis de Lunette zog Tabbi fort. Peregrin Aber spürte, wie ihm ihre Hand entglitt, und dann sah er sie laufen, eingerahmt vom Marquis und dessen Diener. Peregrin Aber sah ihre Kleider flattern, sah sie das alte, schäbige Pappköfferchen schwenken, und dann verschwand Tabbi mit ihren Rettern seitab im Park.
Peregrin Aber seufzte, traurig und erleichtert zugleich. Nur der Prinz war jetzt noch bei ihm, aufrecht und glühend vor Stolz, gleich neben der verlassenen roten Karre. Sich schwer auf seinen Stock stützend, wandte der Advokat sich um. Mit lodernden Fackeln stürmten die Soldaten auf ihn zu, ein Stück weit hinter ihnen folgte eine goldene, hell erleuchtete Kutsche. Peregrin Aber baute sich, so gut es ging, neben Leopold auf, die abwegigen Daunenfedern zu seinen Füßen. Und so standen sie da, als die Soldaten kamen, einer groß und gerade, der andere klein und krumm, zwei Männer, die ihrem Schicksal ins Auge sahen.
Das 30. Kapitel
geht geheime Wege
Jonas kam auf die Knie, in blinder Wut. Niemand hielt ihn
fest. Er wollte kämpfen. Der enge Flur war finster. Jonas hieb auf den erstbesten Schemen ein.
»Au!«
Jonas schlug noch einmal zu. Fest.
»Hör auf!« Die Stimme gehörte Ole Mond. »Spinnst du?« Ole gab ihm einen Tritt. Jonas fiel rücklings auf den Boden.
»Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?« Die Stimme war fremd.
Jonas rappelte sich wieder auf. Das war der Jünger Faramunds! Blind schlug Jonas ins Dunkel. Wie eine Zwinge schloss sich eine unsichtbare Hand um seinen Arm.
»Lass mich los!«, schrie Jonas.
»Willst du wohl deine Klappe halten!«
»Lass mich los!« Jonas wand sich. Er trat.
Plötzlich war der Jünger über ihm. Er drehte ihm den Arm auf den Rücken. Bäuchlings lag Jonas da, die Nase auf dem Fußboden. Es roch widerlich hier drinnen.
»Halt schon still, du Dummkopf!«, fauchte die fremde Stimme. Dann – »Jetzt sag doch was, Ole!«
Ole Mond schien auf die Füße zu kommen. Er keuchte. »Das ist Fiet. Hör auf, Jonas! Es ist Fiet Finger!«
Jonas zappelte noch einmal, dann gab er den Widerstand auf. Der Jünger ließ ihn los.
Fiet Finger? Jonas tat der Arm weh.
»Suleman würde dir den Hals umdrehen, Ole. So viel ist sicher. Was zum Henker habt ihr hier zu suchen?« Fiet Finger – wenn das denn Fiet Finger war, der da sprach – klang ungehalten.
Jonas drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Langsam verwandelte sich die Finsternis in ein Halbdunkel. Irgendwo am Ende des stinkenden Flurs stand eine Tür einen Spaltbreit offen, im angrenzenden Raum kroch durch ein Fenster Licht. Ole und Fiet standen nebeneinander, sie waren gleich groß; zwei Jünger Faramunds mit Kutte und Kapuze. Jonas rieb sich den schmerzenden Arm.
»Red nicht so«, sagte Ole zu Fiet.
»Sind das etwa meine Kutten?« Fiet griff nach Oles Ärmel.
Ole murmelte etwas Unverständliches.
»Kommt mit rüber«, sagte Fiet Finger ohne Umschweife.
Jonas kam auf die Füße
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