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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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huschten durch die Hintertür in ein angrenzendes Haus, liefen durch dessen staubige Räume und traten dann auf eine verschwiegene Gasse hinaus. Es hatte zu dämmern begonnen und die Häuser der Flüsterstadt schienen noch enger zusammenzurücken.
    Fiet führte sie über verborgene Wege, über schmale Streifen Unkraut zwischen zerfallenden Zäunen, durch verwahrloste Gemüsegärten, die man von keiner Gasse aus sah, und immer wieder durch leer stehende Häuser. Manchmal machte Jonas jetzt, wo es immer dunkler wurde, in dem ein oder anderen Fenster einen schwachen Lichtschein aus, vielleicht bloß eine brennende Kerze, vielleicht ein Feuer über einem geheimen Herd. Er stellte sich den Fängge vor, den er gesehen hatte, wie er jetzt geduckt in einem der vielen heruntergekommenen Häuser saß und verstohlen sein Essen hinunterschlang. Jonas hatte Hunger, jetzt fiel es ihm auf.
    Er folgte Fiet und Ole in ein weiteres, dunkles Haus, die Tür hing mutlos in den Angeln. Dann führte Fiet sie eine unebene Kellertreppe hinab. Unten war es stockfinster. Jonas hörte Fiet mit einem Streichholz hantieren, dann flackerte eine Kerze auf und Laternenlicht fiel auf die nackten Ziegelwände der Kellermauern. Ein paar alte Fässer standen auf der gestampften Erde.
    Keiner sprach ein Wort. Fiet ging mit seiner Laterne voran. Der Keller schien riesig zu sein, es roch muffig, die Luft war verbraucht. Jonas wurde es langsam eng um das Herz, da führte endlich wieder eine Treppe hinauf. Licht jedoch kam von oben keines, die Treppe endete vor einer verschlossenen Luke.
    Fiet klopfte gegen die Luke, zweimal ganz kurz und einmal lang. Das Licht der Laterne flackerte. Fiet klopfte noch einmal, genau wie zuvor.
    Dann ging die Luke auf, ein zweites Licht erschien und Fiet verschwand. Ole folgte ihm. Plötzlich war Jonas auf der dunklen Treppe allein. Er beeilte sich lieber. Zwei, drei unebene, eilig genommene Stufen, dann hatte er die offene Luke erreicht, streckte den Kopf hindurch und schrie auf. Er konnte nicht anders. Ein einsames Auge starrte ihn an.
    »Pssst!«, machte ein großer Mund tief unter dem Auge.
    Jonas stützte sich gegen die Kellerwand. Nur sein Kopf ragte schon über die Luke hinaus. Er zitterte am ganzen Körper.
    »Das ist Tanger«, hörte er Fiet Finger sagen. »Er ist ein Freund.«
    Jonas starrte den Monokel an. Der geneigte Kopf – mehr sah Jonas nicht – war riesig. Gewaltig wölbte sich die hohe, kahle Stirn, in ihrer Mitte saß tief das einzige, im Laternenlicht schimmernde Auge. Der Rest des Gesichts war bartlos und blass.
    »Tu nicht so, Junge«, sagte Tanger mit tiefer Stimme. »Augen wie deine sieht man auch nicht alle Tage.«
    »Ja.« Jonas musste unversehens lächeln. Der Schreck ließ nach und er stemmte sich hinauf. Auch oben war es, bis auf die Lichter der beiden Laternen, dunkel. Die Fenster ringsum waren verrammelt. Sie hatten Fiets Versteck erreicht – irgendein Haus in der Flüsterstadt. Vielleicht war es nur noch durch den Kellergang erreichbar.
    Tanger richtete sich auf – er war groß, noch größer als Ruben. Auf seltsame Art dankbar sah Jonas ihn an – die ausgebeulten Hosen, das vielfach geflickte Hemd, den seltsam eiförmigen, kahlen Schädel mit dem einsamen Auge. Es war nicht, dass Tanger, von seinem Kopf einmal abgesehen, so menschlich wirkte. Etwas anderes stimmte ihn dankbar. Fiet Finger hatte Verbündete, sogar in der Flüsterstadt. Der Hirte, dachte Jonas, war nicht allmächtig. Dass Tanger ihnen half, war der Beweis.
    Ole lehnte still in einem Türrahmen – die Brauen tief, die Augen klein, der sonst so große Mund zusammengepresst. Ole sah nicht so aus, als wollte er getröstet oder auch nur angesprochen werden.
    Jonas folgte ihm und Fiet in das nächste Zimmer. Wenigstens ein paar Decken lagen hier unter den vernagelten Fenstern, Spuren eines flüchtigen Lagers. Sie setzten sich auf den Fußboden.
    »Goldene Regel«, sagte Fiet. »Bleibe nie länger als eine Nacht am selben Ort.« Er kreuzte die Beine.
    Tanger kam herein und brachte etwas zu essen. Kalte Kartoffeln, ein paar Rüben, ein hartes Stück Speck. Ole und Jonas aßen, Fiet und Tanger nicht.
    »Und du hast dir also in den Kopf gesetzt, deinen Freund zu befreien«, nahm Fiet das Gespräch nach dem Essen wieder auf.
    Jonas schluckte den letzten Bissen hinunter und nickte etwas halbherzig. Er wusste, dass er Ruben helfen musste, nur hatte er immer noch keine Vorstellung, wie.
    »Dir ist klar, dass du dafür ins Kloster

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