Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Absatz kehrt und wandte Jonas den Rücken zu. Den ganzen Weg lang drehte er sich kaum je zu ihm um.
Sie verließen das Haus durch den Kellergang; drinnen waren weder Ole noch Tanger zu sehen. Als Jonas durch die Luke in den Keller kletterte, kam es ihm vor, als würde er in die Hölle hinabsteigen.
Er hätte sich gern den Weg eingeprägt, aber schon bald, nachdem sie in einer ganz anderen Gasse als beim letzten Mal wieder aufgetaucht waren, verlor er die Orientierung. Nur der Mond beschien ihren Weg, in keinem Fenster leuchtete ein noch so schwaches Licht. Die Fassaden verschmolzen zu einer grauen, wuchernden Wand.
Jonas vertraute Fiet, aber dass Ole nicht da war, machte die Gassen noch gespenstischer. Keines der Häuser ringsum schien zu schlafen, sie knackten und seufzten nur noch schlimmer, noch unheimlicher als am Tag.
Nach einer geraumen Weile erreichten sie die tote Allee. Jedenfalls sah die breite Straße genau wie die tote Allee aus, nur war sie in diesem Teil der Stadt von einem breiten Kanal gesäumt. Der Mond badete im zähflüssigen schwarzen Wasser, das mächtig und still durch sein gemauertes Bett rollte. Da und dort war ein Kahn vertäut, helle Flecken auf der dunklen Oberfläche des Kanals, die meisten schon halb versunken.
Es ging jetzt immer geradeaus, am Wasser entlang, und dann über eine Brücke mit eisernem Geländer auf einen gepflasterten Platz, dessen Weite und Leere Jonas eher spürte als sah. Zu seiner Linken erhob sich ein großes, bestimmt prachtvolles Gebäude – in der mondhellen Nacht war es katzengrau. Eine breite Treppe führte hinauf zu einem überdachten Portal, darüber viele Reihen toter Fenster.
Fiet jedoch wandte sich nach rechts und nach wenigen Schritten erreichten sie eine offensichtliche Ruine. Früher einmal mussten die Säulen ein flaches Dach gestützt haben, jetzt jedoch waren die meisten zerbrochen und das Dach war bis auf einen kleinen Rest eingestürzt. Geblieben war eine Treppe mit flachen, tiefen Stufen, die hinaufführte zu einem sperrigen Haufen aus Trümmern und Schutt. Was von den Säulen ringsum übrig war, sah aus wie ein vom Sturm gemähter Wald aus Stein.
Sie rafften ihre Kutten und erklommen die Stufen. Unter den Sohlen knirschte der Schutt. Fiet suchte zwischen dem Stumpf einer Säule und Trümmern des Daches Deckung. Außer ihren eigenen Atemzügen war weit und breit nichts zu hören.
Schließlich begann Fiet zu flüstern. »Das hier ist der große Platz, Jonas. Das Zentrum des alten Callamaar. Schau!« Er fasste Jonas an der Schulter und wies zu dem massigen Gebäude hinüber, das sie links liegen gelassen hatten. »Das ist der alte Königspalast. Dort hat Leopold früher gewohnt.« Der ausgestreckte Arm wanderte weiter nach rechts. »Da hinauf liegt Ais Tempel. Und uns genau gegenüber, auf der anderen Seite des Platzes, steht das alte Theater.« Fiets Arm wanderte wieder. »Du kannst es jetzt in der Dunkelheit nicht sehen. Core hat viel Zeit dort verbracht.« Er ließ den Arm sinken. »Und das hier war einmal Cais Tempel. Siehst du da vorn die Reste des Altars?« Er stand auf, raffte erneut die Kutte und kletterte über eine gefällte Säule hinweg.
Jonas folgte ihm, halb neugierig und halb widerstrebend. Er stellte sich Core vor, wie sie hierhergekommen war, um zu ihrem Schutzgeist zu beten. Wie sie in einer glücklicheren Nacht als dieser die Stufen erklommen hatte und das Mondlicht zwischen den Säulen hindurch in den Tempel gefallen war. Doch seine Vorstellung reichte nicht weit. Er hatte kein Bild von Core und konnte sich auch keines machen.
Schließlich standen sie vor einem halb zerbrochenen Altar. Nicht mehr als der nackte Stein des Tisches und ein paar Stufen, die zu diesem Tisch hinaufführten, waren von ihm übrig.
Fiet hockte sich hin und strich durch den Staub vor den Stufen. »Früher bin ich oft hier gewesen«, murmelte er.
Jonas sah sich um. Das Mondlicht ließ die Steine gräulich schimmern. »Warum sind wir hier?«, flüsterte er.
»Wir warten.« Fiet setzte sich in den Staub. »Dort vorn, zwischen Ais Tempel und dem Theater hindurch, führt die Allee zum Kloster hinauf. Das Wasser des Kanals kommt von dort. Es kommt aus den Bergen und fließt über das Klostergelände. Wenn die Jünger zurück ins Kloster gehen, kommen sie hier vorbei. Jetzt in der Dunkelheit wirst du dich ihnen vielleicht anschließen können.«
»Anschließen?« Auf einmal rauschte es in Jonas’ Ohren. Er sollte mit den Jüngern gehen?
»Es gibt
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