Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
bebte vor Erregung. Aus dem aufgebrachten Fasan war mit einem Mal eine aufgeregte Pute geworden.
»Ich protestiere!«, keifte sie, noch bevor sie überhaupt zum Stehen gekommen war. »Ich lasse mich in meinem eigenen Haus nicht in die Bibliothek bestellen!«
Es war Irmingast, ganz in Schwarz gekleidet, der die Tür hinter ihr schloss. Sogar das matte Licht in der Bibliothek warfen seine Brillengläser zurück.
Jonas machte sich hinter der Tischplatte so klein, wie er eben konnte.
»Ich«, keuchte Alma, »zähle Thronfolger zu meinen Ahnen. Muss ich darauf hinweisen, dass mein Ahnherr Leopold der Sechsunddreißigste in der Thronfolge war? Aber dergleichen wissen Hergelaufene wie Sie wohl nicht mehr, Herr Doktor, wie? Wie? Was?« Sie bedachte Peregrin Aber mit einem bösen Blick. Ihr Hals zuckte vor und zurück.
»Guten Morgen, Baroness.« Peregrin Aber klang ausgesucht höflich. »Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Und wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, bitte …« Beinahe keck legte er den Kopf schief. »Um die Besitzrechte an diesem Haus zu klären, sind wir hier. Ich sage das nur, weil Sie von Ihrem Haus gesprochen haben. – Sie haben doch wohl hoffentlich gut geschlafen?«
»Ich habe überhaupt nicht geschlafen«, fauchte die Baronin. »Ist das dieser Junge?« Almas Blick war abschätzig.
Jonas duckte sich. Alma war furchterregend und vor Irmingast gleich neben der tickenden Uhr hatte er noch größere Angst. Tagsüber sah der Pfarrer mit seinen langen, scharfen Zügen und den ewig verborgenen Augen nicht weniger unheimlich aus als nachts.
»Das ist Jonas Nichts«, sagte Peregrin Aber nüchtern. »Wollen wir uns setzen?« Mit der ausgestreckten Hand wies er auf den Tisch und schaute dabei zu Irmingast hinüber. Der hatte sich immer noch nicht gerührt. Kalt lächelnd stand er da. Beobachtete er Jonas?
»Hochwürden?«, fragte Peregrin Aber. »Ich nehme an, die Baroness wünscht Ihre Anwesenheit.«
»Das tue ich, jawohl!«, kreischte Alma, und als sie knisternd den Krinolinenrock anhob, um sich zu setzen, sah es einen Augenblick lang so aus, als wollte sie mit den Flügeln schlagen. Den armen Jonas würdigte sie keines Blickes mehr. Stattdessen hob sie ihre fleischige Nase empört himmelwärts und begann mit plumpen Fingern auf die Tischplatte zu trommeln.
Irmingast durchmaß derweil würdevoll den Raum. Er hatte die Hände auf den Rücken gefaltet und sein Gesicht zeigte keine Regung. Dünn, fast messerscharf war sein Mund. Schaudernd stellte sich Jonas die langen, spitzen Zähne vor.
Peregrin Aber setzte sich als Letzter, ans Kopfende des Tischs, und legte die Ledermappe, die er mitgebracht hatte, akkurat vor sich. Die Parteien saßen sich schweigend gegenüber, die Baroness und der Pfarrer auf der einen Seite, Jonas sehr allein auf der anderen.
Der Advokat räusperte sich und ging ans Werk, indem er mit feierlicher Miene seine Mappe aufschlug. »Sehr geehrte Anwesende!«, sagte er mit Grabesstimme. »Geschätzte Baroness! Hochwürden! Lieber Jonas!« Peregrin Abers Blick wanderte einmal reihum. Die Luft war zum Schneiden. Jonas hätte jetzt gern im Wind auf dem vertrauten Hof gestanden oder doch wenigstens an einem Fenster.
Peregrin Aber studierte etwas in seiner Mappe. Offenbar suchte er nach den richtigen Worten, jedenfalls klappte sein Mund ein paar Mal auf und zu. »Das Testament, das hier vor mir liegt«, sagte er schließlich, »hat mir die jüngst verschiedene Clara Freifrau Fink zu Wunderlich an ihrem Todestag diktiert. Ich …« Er kämpfte mit einem Frosch im Hals »… denke mit großen Gefühlen der Trauer an diesen Abend zurück. Wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten wollen, geschätzte Anwesende, ich habe Baroness Clara verehrt.« Peregrin Aber war von seinen eigenen Worten gerührt.
Am Tisch herrschte betretenes Schweigen.
Jonas starrte auf die Tischkante. Für einen Augenblick konnte er den Wieflinger sehen, wie er sich von dort abseilte, den Filzhut auf dem Kopf, ein Messer zwischen den Zähnen. Der Wieflinger war auf der Flucht, keine Frage. Auf einer alten, faulen Burg hatte man ihn eingesperrt, aber schon war er entkommen und auf dem Weg in die Freiheit.
Peregrin Aber fing sich wieder. »Erlauben Sie deshalb, verehrte Baroness, dass ich Ihnen noch einmal mein tief empfundenes Beileid ausspreche.«
Alma nickte herablassend.
Peregrin Aber raschelte mit dem Bogen Papier, sein Ton wurde wieder geschäftsmäßig, er sprach schnell. »Ich übergehe
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