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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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geöffnet.
    Schließlich hielt Tabbi vor einer von ihnen an, den großen Leuchter fest in der Hand. »Ich habe gedacht, der Junge schläft am besten im Gästezimmer neben Ihrem, Herr Doktor«, sagte sie. »Es gibt eine Verbindungstür.« Sie lächelte Jonas an.
    »Ja, ja«, sagte Peregrin Aber. »Der Junge muss aber hundemüde sein. Er wird schlafen wie ein Stein.« Er sah zu Jonas herüber. »Nicht wahr?«
    Jonas nickte stumm. Er hatte verstanden. Ohnehin hätte er es nicht gewagt, den Advokaten zu stören.
    Peregrin Aber steuerte auf seine Tür zu. »Gute Nacht, Jonas Nichts. Zeigen Sie ihm alles, Tabbi.« Und schon war er verschwunden, Nachtlicht voraus.
    Jonas blieb allein mit Tabbi im Korridor zurück. Das Kerzenlicht fiel auf ein weiteres Gemälde gleich neben der Tür. Ein Mann mit langem, schwarzem Haar, Schnurrbart und einem weißen Kragen blickte den Gang entlang. Jonas fielen seine Hände auf, die sich auf den Bilderrahmen zu stützen schienen. Die Hände waren lang und leblos und weiß wie Wachs.
    »Komm, Junge. Du musst dich nicht fürchten.« Tabbi öffnete die Tür und die Kerzen erhellten ein großes Zimmer. Schwere Vorhänge hingen vor den nachtschwarzen Fenstern, hinter dem Kamingitter war ein Feuer eben erst erloschen. Noch war es im Zimmer warm. Jonas bemerkte ein großes, hohes Bett mit einem Baldachin, in das er beinahe würde hinaufklettern müssen. An der Wand gegenüber stand ein zierlicher Sekretär, davor ein Stuhl auf dünnen Beinen. Jonas war erleichtert, dass das Bild über dem Sekretär eine Kutsche zeigte. Wenigstens würde ihn niemand anstieren, wenn er erst allein im Zimmer wäre.
    »Gefällt es dir, Jonas?«, fragte Tabbi. »Eigentlich müsste ich ja Herr zu dir sagen. Junger Herr … Nichts.« Sie zögerte, bevor sie weitersprach. »Ich habe mir natürlich auch so meine Gedanken gemacht. Wegen des Testaments. Ruben und ich – also … wir freuen uns, dass du da bist.«
    Jonas wurde rot. Es wusste nicht, was er darauf sagen sollte. »Das Zimmer ist sehr schön«, murmelte er schließlich und sah auf den dicken Teppich voller wilder Muster. Er hätte Tabbi gern erzählt, dass er noch nie in einem Bett geschlafen hatte, sondern immer bloß auf einem Strohsack.
    »Na ja«, sagte Tabbi. »Das ist natürlich alles ziemlich viel für dich. Und wir werden ja noch reichlich Gelegenheit haben, uns zu unterhalten.« Sie rückte ihre Nachthaube zurecht. »Da liegt ein Nachthemd auf deinem Bett. Schlaf gut, Junge.«
    Hinter ihr klappte die Tür zu.
    Jonas lauschte noch eine Weile auf Tabbis Schritte, dann ging er langsam auf das riesige Bett zu und stellte seine Kerze auf einen Nachttisch. Das Holz des Nachttischs war poliert, und Jonas strich mit der Hand darüber und bewunderte die Einlegearbeiten. Wie viele Farben Holz haben konnte.
    Auf dem Bett lag Elsas Pappköfferchen, neben dem ausgebreiteten Nachthemd. Jonas befühlte den Stoff. Er war ganz weich, nicht zu vergleichen mit dem groben Hemd, das er trug. Aber was war das? Jonas musste lächeln, als er seinen dritten Zettel fand. Ruben musste ihn auf das Nachthemd gelegt haben, als er den Koffer brachte.
    ICH BESCHÜTZE DICH
    stand auf dem Zettel. Jonas legte ihn unter das Kopfkissen, das ihm plötzlich so groß und dick und weich vorkam wie eine Wolke. Dann kramte er auch die anderen beiden Zettel aus der Hosentasche und legte sie dazu. Aber da war noch etwas in seiner Tasche, etwas Hartes. Jonas fingerte den Kiesel heraus und hielt den Räuber Wieflinger in seiner Hand. Er dachte an den Hof und den verwaisten Räuberwald aus Tannenzapfen. Ob Brand die Zapfen finden würde? Jonas wünschte es sich. Schließlich legte er auch den Kiesel zu den drei Zetteln in das geheime Nest. Von allen unbemerkt war der Wieflinger auf das Dach der Kutsche geklettert und mitgefahren, ein blinder Passagier, an dessen Hut und Haar der Fahrtwind zerrte.

Das 4. Kapitel
Das Testament wird eröffnet
    Es waren die Krähen, ihre heiseren Rufe schlichen sich in diesen unruhigen Traum. Sie stoben über den tobenden Himmel und stießen auf Wunderlich hinab. Da lag es, unter ihnen. Die bleigrauen Dächer und das Spalier der Kamine, die bleichen Mauern, und am Efeu zerrte der garstige Wind. Er rüttelte an den in Blei gefassten Fenstern, schlug gegen das vergessene Tor der Remise und stürmte pfeifend den Torweg. Wütend schlug er die Krähen zurück, und sie schimpften so lange, bis sich Jonas ruckartig aufsetzte.
    Draußen hatte ein grauer, windiger Tag

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