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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Uhr.
    Peregrin Aber tupfte sich mit seinem großen Schnupftuch die Stirn.
    Irmingast saß reglos da, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, die Brille wie aus Eis. »Warum dieser Junge?«, sagte er leise. Aber es klang gar nicht wie eine Frage.

Das 5. Kapitel
Jonas verliert einen Verbündeten und besucht ein Grab
    Die Finger des Wieflinger krallten sich in den Felsen, mühsam suchte er sich seinen Weg hinab. Der in den Stein geschlagene riesige Fink lag jetzt schon ein ganzes Stück weit über ihm, das Kläffen der Hundemeute wurde leiser. Die Köter standen jetzt bestimmt ratlos an der Klippe, oben am Kopfteil des Betts, aber auch sie würden einen Weg hinab finden. Der Wieflinger war noch lange nicht in Sicherheit.
    Mit einem beherzten Sprung endete sein Abstieg. Knietief versank er im Schnee der Bettdecke. Es hatte zu stürmen begonnen. Der Wieflinger schlug den Kragen hoch, drückte sich den Räuberhut tief in die Stirn und kämpfte sich durch die Schneemassen. In seinem langen Schnurrbart klumpte Eis.
    Als der Wieflinger das Fußende des Bettes erreicht hatte, fiel ihm der gewaltige Baum des Bettpfostens auf. Er sprang, klammerte sich fest und rutschte dann den glatten Stamm hinab. Nur keine Zeit verlieren! Der Wieflinger konnte die Hunde wieder hören, ihr Geifern und wie ihre Läufe den Schnee peitschten. Er rückte die Muskete zurecht, die er über dem Rücken trug. Der böse Graf Irmingast war nah.
    Der Bettpfostenbaum wurzelte im sumpfigen Grund des Teppichs. Hier gab es schillernd schwarze Schlangen und in den dunklen Seen des Musters schwammen giftige Fische mit teuflisch spitzen Zähnen. Der Wieflinger zog den Säbel blank und begann, sich einen Weg durch das Pflanzenmeer ringsum zu schlagen. Da klopfte es. Mitten in der Bewegung hielt der Wieflinger inne und sah zur Tür.
    »Jonas?« Zwischen den Türpfosten stand Peregrin Aber in seinem gebürsteten Rock. Die Testamentseröffnung lag kaum eine Stunde zurück.
    Der Advokat sah auf Jonas herab, der auf dem Teppich kauerte. »Was tust du da?«
    Schnell vergrub Jonas den Kiesel in seiner Hosentasche. »Ich spiele«, sagte er. Der Wieflinger war entkommen. Den Grafen Irmingast hatte der Erdboden verschluckt. Vielleicht hatten die Hunde im Schnee die Spur verloren.
    »Natürlich. Du spielst.« Peregrin Aber nickte bedächtig. Seltsamerweise trug er seinen Mantel über dem Arm. Mit seinen kurzen Fingern bearbeitete er die Krempe seines Biberfilzzylinders. »Jonas«, sagte er. »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden.«
    »Wie bitte?«, fragte Jonas leise.
    »Ich …« Peregrin Aber trat nervös von einem Bein aufs andere. »Ich kann nicht immer hier sein, Junge. Das verstehst du doch, oder? Ich habe Arbeit in der Stadt. Die Kanzlei …« Er breitete die Arme aus, Zylinder rechts, Mantel links. »Aber …« Zögernd trat er ins Zimmer und schloss behutsam die Tür. »Aber ich komme dich natürlich besuchen. Und ich schicke dir einen Hauslehrer, wenn ich erst einen gefunden habe.«
    Ein Hauslehrer? Ohne dass er darüber nachgedacht hätte, war Jonas davon ausgegangen, dass Peregrin Aber bei ihm bleiben würde. Er war doch sein neuer Vormund. Peregrin Aber war doch, was bislang immer Brand gewesen war.
    »Nun schau nicht so«, sagte der Advokat und verzog das Gesicht.
    Jonas dachte an Alma und Irmingast. Dann dachte er an Ruben, den er seit gestern nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Wie konnte Peregrin Aber ihn nur allein lassen?
    »Ruben und Tabbi bleiben natürlich hier.« Der Advokat war bis auf einen Schritt herangekommen und Jonas stand auf. Er war gar nicht so viel kleiner als Peregrin Aber und kam sich doch so vor.
    »Muss ich …« Er dachte daran, wie er abends oft mit Brand und Elsa am Küchentisch gesessen hatte. »Muss ich mit ihnen essen? Mit Irmingast und Alma, meine ich?« Tagsüber würde er sich in seinem Zimmer verstecken können. Aber es war eine schreckliche Vorstellung, ihnen ganz allein gegenüberzusitzen, wenn es Essen gab.
    Peregrin Aber legte die Stirn in Falten. »Du kannst schlecht mit dem Gesinde essen, Jonas«, sagte er. »Du darfst nicht vergessen, dass du der neue Herr in Wunderlich bist. Die Baroness und Hochwürden sind deine Gäste. Nicht umgekehrt.«
    Jonas seufzte. Er fühlte sich wie ein davongejagter Hund und nicht wie der Herr im Haus. Er wusste überhaupt nicht, wie ein Herr sich fühlte.
    Peregrin Aber jedoch war mit seiner Antwort zufrieden. »Bevor ich fahre, würde ich dir gern noch etwas zeigen, Junge.

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