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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Marquis war schlau. Viel schlauer, als er selbst gewesen war. Lunette hatte nicht mehr als die Figuren gebraucht und den Bericht, den Jonas ihm gegeben hatte, um zu verstehen. »Es waren Almas und Claras Figuren«, flüsterte er.
    »Jawohl«, sagte der Marquis mit leuchtenden Augen. »Almas und Claras Figuren. Oder wollen wir sagen … Ais und Cais?« Lunette räusperte sich. »Warum hast du mir nie von den Figuren erzählt, Junge?«
    Jonas zuckte hilflos mit den Schultern und senkte den Kopf. Die Figuren waren sein Geheimnis gewesen. Das Päckchen, das er zu tragen hatte – so wie Ole seins. Sie hatten es sich beide nicht ausgesucht.
    »Einerlei!« Der Marquis erhob sich etwas mühsam. »Vielleicht hätte ich helfen können, wenn du mir früher davon erzählt hättest. Mir sind nämlich alle Lichter aufgegangen, als Tabbi mir die Figuren gezeigt hat. Vielleicht muss das so sein, wenn man sich erst selbst in der Hand hält.« Er sah wieder auf die kleine Figur in seinen Fingern. Ihr Rüschenhemd, die Schärpe, die himmelblauen Hosen. Sein Ebenbild im Miniaturformat. Dann trat er zum Küchentisch und stellte seine Figur vorsichtig zu den anderen. »Es ist auch ein bisschen gespenstisch, Jonas Nichts«, sagte er.
    »Ja«, flüsterte Jonas. Lunette hatte recht. Jonas hatte plötzlich eine Gänsehaut.
    »Und weißt du was?« Lunette war wieder an ihn herangetreten. Er hatte die Hand an sein spitzes Kinn gelegt und schaute auf ihn herab. »Als ich die Figuren erst gesehen hatte und als ich von Tabbi erfuhr, wo sie herkamen und wie sie sie gefunden hatte, da konnte ich mich auch an Cores Marionette erinnern. Es hat eine Weile gebraucht, zugegeben. Aber als ich erst auf der richtigen Spur war, habe ich mir das Hirn zermartert. Und ich konnte mich erinnern, in der Tat! Cores Marionette hatte ein blaues und ein grünes Auge. Ich habe nur lange genug hier an diesem schäbigen Tisch sitzen müssen, dann sah ich sie wieder vor mir. Und dann …« Lunette breitete die Arme aus. »… dann wusste ich, wer du bist. Der Achte von sieben – so habe ich es den Leuten da draußen erklärt. Ich habe Core Unrecht getan. Ihre Prophezeiung machte Sinn! Im Augenblick ihres Todes wurde ja wirklich ein Junge geboren. Du wurdest damals geboren! Und du hast uns gefunden. Du bist wahrlich und wahrhaftig zu uns gekommen.«
    Während Lunette redete, hatte Jonas seine Hand in die Tasche gesteckt, jetzt zog er sie wieder hervor. Auf seiner Handfläche lag die winzige Marionette.
    »Ja«, seufzte Lunette und beugte sich darüber. »Das ist einzigartig, nicht wahr? Du bist, was die Kaiserin nie hätte werden können, Jonas. Ein Teil des Spiels und nicht bloß sein Herrscher.« Er streckte sich wieder und legte Jonas eine Hand auf die Schulter. »Jetzt musst du uns nur noch beweisen, dass auch ein Schutzgeist in dir steckt. Ich nehme an, dass du Clara und ihre Core nicht enttäuschen willst. Immerhin bist du beider Erbe. Ich meine … wenn man die Geschichte von drinnen und draußen zusammensetzt. Du kennst dich auf beiden Seiten dieses sonderbaren Schranks aus.«
    Jonas nickte wieder. Das Herz war ihm jetzt schwer. Plötzlich war er Clara, der er nie begegnet war, ganz nah. Was für Qualen sie ausgestanden haben musste! Um ihn und um ihr Spiel hatte sie gefürchtet, und obwohl sie wusste, dass er die einzige Hoffnung für ihr Spiel war, hatte sie ihm in ihrem letzten Willen verboten, das Spielzimmer zu betreten. Sie hatte sich für ihn und gegen das Spiel entschieden. Sie hatte ihm Wunderlich vererbt, aber die Gefahren des Spiels ersparen wollen. Doch vielleicht hatte sie ja heimlich gehofft, dass er ihr Verbot missachten würde. Einfach darauf vertraut, dass am Ende noch alles gut werden würde, irgendwie.
    Jonas drehte und wendete diesen Gedanken noch, als es auf dem Dorfplatz zu einem Tumult kam. Mit einem Mal riefen die Leute, ein paar begannen zu laufen, Jonas hörte den Wieflinger fluchen.
    Er stürzte hinaus, Lunette und Tabbi dicht hinter sich. Draußen vor der Tür brauchte er einen Moment, um zu begreifen, was geschah.
    Das Pferd trabte aufgeregt über den Platz, den Hals hoch erhoben, den Schweif steil aufgestellt. Die Leute sprangen zur Seite und brachten sich in Sicherheit.
    Es war Sulemans Schimmel, schoss es Jonas durch den Kopf. Er sah noch Ole vor sich, den Jungen auf dem großen Pferd, nachts, im Mondschein, im Lager. Aber in dem prächtigen roten Sattel saß niemand mehr!
    Tilla lief neben dem Pferd, aber sie kriegte den lose

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