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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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hörte nur, was Faramund gesagt hatte. Er hörte es wieder und wieder, immer lauter.
    Erst als Lunette nach einer schieren Ewigkeit wieder den Mund aufmachte, ließ das Lärmen nach.
    »Was für Figuren, Faramund?«
    Ole sah Jonas jetzt direkt ins Gesicht. Halb flehentlich und halb, als wollte er ihn um Verzeihung bitten.
    So laut, wie es eben in Jonas gewesen war, so still wurde es jetzt. Er war der Herr des Spiels. Er musste etwas tun. Statt hier herumzustehen, musste er handeln.
    Faramund lachte höhnisch. »Spiel nicht mit mir, Lunette! Schick deinen Jungen zu mir hoch. Mit den Figuren. Schick deinen Jungen hoch und ich schicke meinen zu dir runter. Sonst …« Das Messer kam Oles Kehle noch näher. Die flache Seite der Klinge drückte sich in Oles Haut.
    »Wir haben keine Figuren, Faramund!«, rief Lunette, aber da hatte sich Jonas schon in Bewegung gesetzt. Er hörte die Stimme des Marquis nicht einmal. Er hatte keinen Blick für niemanden. Er ließ seine Freunde stehen und ging an allen, die sich auf dem Dorfplatz drängten, vorbei. Er war fester entschlossen, als er es jemals gewesen war. Hätte er Faramunds Figur gehabt, dann hätte er mit ihr gespielt und der Mönch wäre in Minutenschnelle ein anderer gewesen – vielleicht ein dicker, lebenslustiger Mönch, der auf Weinfässern ritt und schon zur Mittagszeit Trinklieder grölte. Aber Faramunds Figur war genau die, die fehlte. Was blieb Jonas also anderes übrig? Wie eine Flamme auf einen Kerzendocht springt, so war ihm dieser Gedanke gekommen. Er hatte Arnon Blaus Worte aus dem Spinnenpalast ja noch im Ohr. Er war der Herr und der Knecht des Spiels. Und wenn er nicht der Herr sein konnte, dann würde er eben der Knecht sein. Er würde sich fügen. Und hoffen. Er würde darauf vertrauen, dass am Ende noch alles gut werden würde. So wie vielleicht Clara darauf vertraut hatte.
    Nicht einmal vor Tillas Tür hielt er inne. Er trat in den niedrigen Raum, ging auf den Tisch zu und sammelte die Figuren ein. Im Koffer lagen das abgebrochene Fernrohr und sein Kiesel. Jonas lächelte, als er ihn wiedersah. Der Wieflinger! Er legte den König, den Soldaten, den Jungen und den türkischen Reiter dazu, griff nach dem Sterngucker und holte schließlich auch die winzige Marionette aus seiner Hosentasche. Durfte er das? Er riskierte viel. Er riskierte alles. Hätte Irmingast erst alle Figuren in seiner Hand, würde seine Macht über das Spiel vollkommen sein. Selbst Lunette könnte er sich dann gefügig machen, und wenn nicht, dann könnte er ihn einfach zerbrechen. Dennoch klappte Jonas den Koffer zu, nahm ihn und ging wieder hinaus. Es würde anders kommen, auch wenn er nicht wusste, wie. Jonas hatte keine Angst, als er erneut den Dorfplatz überquerte.
    Kurz bevor er den Fuß des Hügels erreicht hatte, stellte sich ihm der Wieflinger in den Weg. Der Räuber sah verzweifelt aus. Diesmal war er es, der nicht weiterwusste.
    »Lass ihn«, hörte er Arnon Blau sagen. »Jonas weiß, was er tut.«
    Der Wieflinger trat zu Seite.
    Jonas nickte erst ihm zu, dann Tabbi, Arnon Blau und Lunette. Die Miene des Marquis war wie eingefroren. Tabbi zitterte. Nur Arnon Blau lächelte ihm still zu. Dann legte er den Kopf in den Nacken und schaute zum Hügelkamm hinauf. Faramund schaute grinsend auf ihn hinab. Ihre Blicke trafen sich, aber Jonas wendete seinen nicht ab. »Lass ihn los!«, rief er Faramund zu. »Ich komme.«
    Der Mönch zögerte, offenbar hatte er mit größerem Widerstand gerechnet. Aber Jonas kümmerte das nicht. Er ging einfach weiter. Als die Steigung begann, beugte er sich leicht vor und barg Elsas Köfferchen vor seiner Brust.
    Wie still es jetzt war. Jeder auf dem Dorfplatz hielt den Atem an.
    Oben auf dem Hügelkamm ließ Faramund Ole los. Ole fiel und rappelte sich auf. Er sah zu Jonas herab und schüttelte verzweifelt den Kopf. Aber Jonas nickte auch ihm zu. Er stieg weiter. Ole stolperte los, den Hügel hinab.
    Auf halber Strecke begegneten sie einander und für den Bruchteil einer Sekunde berührten sich ihre Hände. Dann war Ole vorbei. Er rutschte den Hang hinab. Er weinte.
    Faramund war jetzt noch fünf, vier, drei Schritte entfernt. Er streckte die Arme aus. In der einen Hand hielt er immer noch das Messer. Jonas überlegte nicht einmal, ob er noch weglaufen könnte. Ungerührt sah er in Faramunds teigiges Gesicht.
    Das nutzlose Messer, dachte er. Dein nutzloser Plan. Er wusste selbst nicht, woher seine stille Gewissheit rührte.
    Noch zwei Schritte. Noch

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