Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
Vom Netzwerk:
violett.
    »Faramund ist tot«, flüsterte Jonas ihm zu. Er empfand das nicht als gute Nachricht. Faramund hätte doch wieder einer der Sieben sein können, ein lebenslustiger Mönch, Trinklieder auf den Lippen, Schweißperlen auf der geröteten Stirn. Es war anders gekommen.
    »Faramund ist tot«, flüsterte Jonas noch einmal. »Aber du hast nicht einmal einen Kratzer.« Er hatte begonnen, den Verband abzuwickeln. Als er ihn schließlich auf den Boden warf, war Krempels Kopf heil.
    Trut brach in schallendes Gelächter aus. Dann hieb er Krempel mit solcher Wucht auf die Schulter, dass der Wicht husten musste.
    Walrider war aufgesprungen. »Krempel ist gesund!«, brüllte er über die Lichtung. »Krempel ist gesund! Jonas hat ihn gesund gemacht!«
    All das Summen und Brummen verstummte schlagartig. Mehr als hundert Augenpaare waren plötzlich auf Jonas gerichtet und er duckte sich gleich. Für den Jungen beim Wirt Brand, schoss es ihm durch den Kopf, war so viel Aufmerksamkeit nichts. Nicht einmal der junge Herr in Wunderlich, der er werden würde, könnte sich daran gewöhnen. Er versuchte die Stimme zu heben, aber der Versuch misslang. Was herauskam, war doch eher leise, wie gewohnt.
    »Kommt mit«, sagte er einfach.
    Dann half er dem verdutzten Krempel auf die dünnen Beine.
    Ein Puppenhaus – das war das Erste, was Jonas dachte, als er an der Palisade vorbei in den verwüsteten Park hinaustrat. Das Gelände war von Trümmern übersät. Die Brunnen waren zerstört, nur ihre gezackten Stümpfe ragten noch aus den stillen Wassern der Becken. Die Marmorfiguren, die sich zuvor fast bis zum Himmel aufgetürmt hatten, waren ringsum verstreut. Ein marmorner Pferdekopf ragte aus dem Kegel einer Hecke, ein halber Elefant lag in einer der Blumenrabatten begraben und wandte Jonas seinen gewaltigen, erdverschmierten Rücken zu.
    Jonas wusste noch gut, wie er das erste Mal hier gestanden hatte. Das Wasser hatte damals auf den Beckenrändern Klavier gespielt. Jetzt war es drückend still und der Blick wehte wie ein einsamer Wind über die Trümmer und dann die von Kratern durchlöcherte Treppe hinauf bis zum Schutthaufen der alten Sonnenterrasse. Herabstürzendes Mauerwerk hatte die Topfpalmen unter sich begraben und die steinernen Figuren hatten sich vom First und den Balkonen gestürzt und kopfüber in die Trümmer gebohrt.
    Kanaria war eine Ruine. Beide Seitenflügel waren eingestürzt und der Rest – ein Puppenhaus eben. Bis auf einen kleinen Teil war die komplette Front eingestürzt, man sah in die hochherrschaftlichen Räume regelrecht hinein. Und aus der Entfernung hatte man das Gefühl, all die vergoldeten Schränke, Kommoden, Tische und Stühle in die Hand nehmen und hierhin oder dorthin stellen zu können, ganz wie es einem gefiele. Musste man ein Riese sein, um sich vor dieses Puppenhaus zu knien?
    Nur die Puppen fehlten. Auf den ersten Blick war das Schloss verwaist, und Jonas brauchte eine ganze Weile, bis er hinter den vom Schutt verschmierten, halbblinden Scheiben der Terrassentüren die Jünger entdeckte. Er war, ohne dass irgendjemand ihn daran zu hindern versuchte, an den Trümmern vorbei auf das Schloss zugegangen. Hinter ihm knirschten viele Schritte auf den Wegen. Das ganze Lager war ihm gefolgt und fächerte sich nun zu einer endlos langen Reihe auf. Jonas voraus, alle anderen dicht nebeneinander, so erreichten sie die große Treppe zur Terrasse.
    Jonas stieg die flachen, breiten Stufen alleine hinauf, vorsichtig die Krater meidend. Manche Stufe war in tausend Stücke zerbrochen, auf einer lag eine abgebrochene Löwenpranke, weiß und allein.
    Faramunds Jünger standen in einem ungeordneten Haufen im einigermaßen heil gebliebenen Vestibül, ein paar von ihnen drückten sich die Nasen an den Scheiben platt – wie Kinder, drinnen, an einem Regentag. Kaum einer trug noch seine Kapuze, und Jonas sah in teils ratlose, teils verängstigte, vor allem aber ganz gewöhnliche Jungengesichter. Er hatte die Terrasse jetzt erreicht, den See aus Ziegeln, Scherben, zu Pulver zerriebenem Putz und gefallen Statuetten.
    Dann hörte er Irmingast zischen.
    Es jagte ihm nicht einmal einen Schrecken ein. Ohne Eile sah er zum letzten verbliebenen Balkon hinauf. Es kam ihm vor, als würden die Säulen, die den Balkon stützten, schon wanken.
    Irmingast lehnte über der Brüstung und fauchte. Seine Brille war verschmiert, sein Gesicht rot, der Hals geschwollen, eine dicke, blaue Ader trat an der Seite hervor. »Bastard!«,

Weitere Kostenlose Bücher