Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

der ständigen Unterbrechungen den Faden verloren.
    »Und deshalb haben Sie Ihren Schreiber losgeschickt?«, fragte Tabbi endlich.
    »Genau. Ja. Wenn es nicht Alma war, dachte ich mir, und auch kein Dritter, Unbekannter – und wer sollte das schon sein? Ich meine, Jonas ist ein kleiner, unbescholtener Junge …«
    »Ja?«, drängte Tabbi. »Dann?«
    »Dann …«, stöhnte Peregrin Aber. »Dann musste es einfach Irmingast sein! Aber nicht der Irmingast, den wir kennen. Nicht der, den wir uns vorstellen, wenn wir darüber nachdenken, Tabbi. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Tabbi machte große Augen, und Peregrin Aber bemerkte nicht ohne Wohlgefallen, dass es ihr für einen Augenblick an Worten fehlte.
    »Kurzum.« Der Advokat schlug die Beine übereinander. »Kurzum, Tabbi, ich erinnerte mich daran, dass mir Irmingast bei Gelegenheit einmal von seiner Zeit im Priesterseminar erzählt hatte. Einem Priesterseminar in der Stadt. Und genau dahin habe ich meinen Schreiber geschickt. Gleich heute Morgen. Sobald ich von den Vorgängen hier Kenntnis hatte.«
    »Und? Und ?« Tabbi durchbohrte den Advokaten mit ihren Blicken.
    »Ja«, sagte Peregrin Aber und holte tief Luft. »Irmingast ist nie an diesem Priesterseminar gewesen! Er ist gar kein Geistlicher! Er ist ein Hochstapler , Tabbi!«
    »NEIN!« Tabbi sprang auf und wusste dann gar nicht, wohin mit sich.
    »Doch!« Peregrin Aber verschränkte die Hände vor der Brust. »Ein Betrüger! Sagen Sie, er hat sich hier doch regelrecht eingeschlichen, nicht wahr? Damals?«
    »Ja, ja. Ein gebrochenes Rad. Und dann ist er einfach geblieben.« Tabbi setzte sich wieder. Sie überlegte. »Wäre schon möglich, dass Irmingast der Mann unter der Kapuze war. So groß und so schlank.« Sie versank in Gedanken. »Aber, Herr Doktor …«, sagte sie schließlich. »So ein Betrüger will doch auch betrügen, nicht wahr? Ich meine, Irmingast war ja nicht gerade ein Heiratsschwindler. Und gestohlen hat er auch nichts …«
    »Nein, nein«, sagte Peregrin Aber schnell.
    »… bis auf die Sonneberger Figuren!«, fügte Tabbi noch hinzu.
    »Äh«, sagte der Advokat.
    »Seltsam. Oder?«
    Peregrin Aber schwieg jetzt eine lange Zeit. Was hatte es nur mit diesen Figuren auf sich? Sie waren doch eine fixe Idee! Spielzeug! Um Himmels willen!
    »Tabbi«, sagte er dann. »Die entscheidende Frage ist doch, wo Jonas und Ruben sind. Was halten Sie davon, wenn Sie uns jetzt etwas zu essen machen und wir uns dann auf Spurensuche begeben? Na? Wie wäre das?«
    Tabbi sah ihn ebenso zweifelnd wie durchdringend an.
    »Bratkartoffeln«, sagte Peregrin Aber schnell. »Ich finde Bratkartoffeln immer sehr tröstlich. Und das geht doch auch recht flink, richtig?«
    Tabbi nickte verdrossen und erhob sich. »Wenn Sie meinen, Herr Doktor.« Und dann verschwand sie in der Speisekammer.
    Peregrin Aber atmete durch. Ein Betrüger will auch betrügen , dachte er. Ja. Dann … Dann …
    Doch weiter kam der Advokat nicht. Aus der Speisekammer drang ein spitzer Schrei.
    »Tabbi?«
    »Herr Doktor! Herr Doktor!«
    Wie der Blitz schoss Peregrin Aber aus seinem Stuhl, ignorierte den stechenden Schmerz in seinem Rücken und eilte mit wehendem Mantel in die Speisekammer. Der schwarze Mann , durchzuckte es ihn.
    »Tabbi?«
    Zwischen schwer beladenen Regalen, unter hängenden Würsten und baumelnden Schinken stand die Köchin vor dem Kartoffelkasten. In der Hand hielt sie ein einfaches, braunes Köfferchen aus Pappe.
    Peregrin Aber stieß vor lauter Erleichterung gleich literweise Luft aus.
    »Dieser Jonas!«, seufzte Tabbi und in ihre Züge stahl sich ein leises Lächeln. »Dieser Jonas! Er hat die Figuren einfach versteckt.« Sie drehte sich zu Peregrin Aber um. »Hier zwischen den Kartoffeln, Herr Doktor! In seinem Köfferchen. Hier zwischen den keimenden Kartoffeln!« Sie schüttelte so glücklich wie ungläubig den Kopf.
    Wenig später saß Peregrin Aber wieder am Küchentisch, vor sich einen leer gegessenen Teller mit einigen wenigen Zwiebelresten sowie einer Fettspur und daneben fünf Sonneberger Figuren. Sie waren kaum fingerlang und standen auf eckigen grünen Podesten. Der Advokat betrachtete sie fassungslos.
    Es war mitten in der Nacht.
    »Schauen Sie sie genau an, Herr Doktor!«, sagte Tabbi vom Spülstein. »Sie hüten ein Geheimnis. Ich schwöre es! Wenn ich nur wüsste, welches!« Sie klapperte aufgeregt mit der Pfanne.
    Peregrin Aber griff nach der größten Figur, offensichtlich einem türkischen Reiter. Er führte