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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Trabanten! Jonas sah es nicht, er spürte, er wusste es.
    Die Hand des Wieflingers lag auf seiner Joppe und knisterte mit dem Stoff; knisterte wieder.
    Im nächsten Augenblick war der Traum vergessen, hinter dem Fenster leuchtete ein apfelsinenfarbener Morgen. Das Teleskop trat aus dem Schatten. Am Tisch über Eck saß der Marquis. Er knisterte mit den winzigen Seiten; knisterte wieder.
    Der Schrecken kam mit einem Satz. Jonas saß senkrecht im Bett. Das war Claras Heft! Jonas’ Joppe hing über der Lehne des anderen Stuhls. Lunette hatte seine Taschen durchsucht! Er hatte das Heft einfach genommen!
    Ungerührt sah der Marquis zu ihm herüber und deutete ein Lächeln an. Fühlte er sich ertappt?
    Jonas versuchte, sich zu fassen. Was sollte er jetzt tun? Konnte er dem Marquis Vorwürfe machen? Ihm das Heft aus der Hand reißen? Oder sollte er vorsichtshalber alles leugnen?
    Ich habe das Heft noch nie gesehen .
    Aber war der Marquis nicht sein Freund? Sein Verbündeter wenigstens?
    »Ich kann es nicht lesen«, hörte Jonas sich sagen.
    Lunette nickte. Dann wandte er sich wieder dem Heft zu und blätterte die nächste Seite um. »Das kann niemand mehr lesen«, sagte er nach einer Weile. »Aber das ist auch gar nicht nötig.« Er schlug das Heft zu und legte es auf den Tisch. Das Schachspiel stand immer noch da. Schwarz bedrängte Weiß. Es war keine Entscheidung gefallen.
    »Wie meinen Sie das?« Jonas zog die schwere Bettdecke höher. Der Marquis war immer noch im Hemd, dabei war es kühl im Zimmer. Hatte Lunette gar nicht geschlafen?
    »Ich kenne die Geschichte schon, Jonas.« Der Marquis legte die Hand auf das Heft. »Wenn man es recht bedenkt, ist es meine Geschichte.«
    Es war so still im Raum. Was Lunette da sagte, hörte sich unheimlich an.
    »Ich nehme an, du willst mir nicht sagen, wo du es herhast, das Heft?«
    Jonas presste die Lippen zusammen. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Hm«, machte der Marquis.
    »Haben Sie den Namen vorne gesehen?«, fragte Jonas. » Arnon Blau . Haben Sie den Namen schon einmal gehört?«
    »Nein. Tut mir leid. Aber ich erkenne die Bilder. Die Landschaft. Die Stadt.«
    »Callamaar«, sagte Jonas.
    »Genau.«
    »Ole sagt, Callamaar gibt es nicht mehr.«
    »Das ist richtig.«
    Ole schlief bestimmt noch.
    Lunette nahm das Heft, beugte sich vor und steckte es wieder in die Innentasche von Jonas’ Joppe. »Du willst es behalten. Oder?«
    »Ja.«
    »Ich hätte es nicht nehmen dürfen«, sagte der Marquis ernst. »Ich bitte dich um Entschuldigung. Aber du hast mich verwirrt. Vielleicht sind es bloß deine Augen.«
    »Geisteraugen«, sagte Jonas leise und dachte an Elsa.
    »Vielleicht«, sagte Lunette. »Aber was ist ein Geist?«
    » Huhu «, machte Jonas und lächelte. Lunette meinte es gut mit ihm. Das war viel.
    Für eine Weile saßen beide einfach da, in stillem Einverständnis.
    »Wieso«, fragte Jonas schließlich, »ist Ole ein Erlöser?« Er hatte die Bettdecke noch ein wenig höher gezogen. Seit gestern Nacht spukte ihm dieses Wort im Kopf herum. Erlöse uns von dem Bösen , hörte er Elsa noch murmeln. Es war etwas Schreckliches daran.
    Der Marquis sah ihn an. In seinem gepuderten Gesicht schimmerte das Weiß seiner Augen rötlich. Im schwachen Licht hätte Lunette ebenso gut eine alte Frau sein können.
    »Ja«, sagte der Marquis gedehnt, schlug die Beine übereinander und fixierte nachdenklich die Spitze seines Schnallenschuhs. »Das werde ich dir erklären müssen. Es ist wohl an der Zeit, dass ich dir die ganze Geschichte erzähle.«
    Aus dem angrenzenden Zimmer, vom Korridor, aus dem Park hinter den Fenstern kam kein Laut. Der Himmel wurde zügig licht.
    »Es ist seltsam«, begann der Marquis. »Die Geschichte beginnt, wo meine Erinnerung einsetzt. Du musst dir vorstellen, Jonas, ich war, als wir das Land, das wir heute Kanaria nennen, zum ersten Mal betraten, schon fast ein alter Mann. Und doch kann ich mich an nichts erinnern, das vorher gewesen wäre. Verstehst du mich? Als wäre ich nie ein kleiner Junge gewesen, sondern immer der, der ich bin.« Lunette hielt inne. »Mehr oder weniger«, fügte er leise hinzu.
    Jonas wusste nicht recht, was er mit dem Gesagten anfangen sollte. Er schwieg, wie um den Marquis aufzufordern, doch endlich die eigentliche Geschichte zu erzählen.
    »Das vorweg«, sagte Lunette. »Ich denke oft darüber nach. Deshalb.« Er räusperte sich. »Meine Erinnerung setzt auf den grünen Hügeln ein. Es ist Sommer und wir sind zu siebt. Wir waren von

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