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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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Zauberei lässt ihn sprechen! Respektlose Hexerei! Teufelszeug!« Alma war jetzt fast blau im Gesicht, eine dick geschwollene Ader prangte an ihrem Hals. »Der Angeklagte ist …«, sie holte Luft, ihre Stimme schwoll an, »… unwahrscheinlich!« Alma bebte.
    Die ganze Zeit über schienen die Trabanten wie ein Mann den Atem angehalten zu haben, jetzt brach es aus ihnen heraus.
    »In den Kerker mit ihm!«
    »In den Kerker mit ihm!«
    Nach und nach schrien sie wie aus einer Kehle.
    »In den Kerker mit ihm!«
    Doch Alma brachte sie mit einer rüden Handbewegung wieder zum Schweigen.
    Jonas zitterte, vor Angst, vor maßlosem Zorn! Es war ein abgekartetes Spiel! Ebenso gut hätte sie Ruben gleich im Kerker lassen können.
    »In den Kerker?«, kreischte Alma. »Bloß in den Kerker ?«
    Die Antwort kam wie aus einem Mund.
    »An den Galgen!«, schrie die Menge.
    »An den Galgen MIT IHM!«
    Jonas schwankte, sein Blick trübte sich, glitt ab, wo immer er Halt suchte – wie ein Wassertropfen von einer Scheibe. Die geifernde Alma – das Podest – der trübsinnige Leopold – die leblosen Richter an ihren Tischen – Grimbert, stocksteif – Ruben, der sich nicht einmal rührte – und dann die weit aufgerissenen Augen Lunettes, ganz dicht vor Jonas’ Gesicht.
    »Nein!«, flüsterte Jonas. »Nein!«
    Aber da war noch etwas anderes im Gange, etwas ganz anderes.
    »Hinter den Baum!«, zischte der Marquis, plötzlich in höchster Aufregung. »Macht schon! Ole!«
    Der Hermes drängte ihn zur Seite, Jonas wusste gar nicht, wie ihm geschah.
    »AN DEN GALGEN!«, schrien die Trabanten immer noch und schüttelten die Fäuste.
    Doch Alma schien die Menge gar nicht mehr wahrzunehmen, leicht schwankend stand sie vor ihrem Thron. Fassungslos starrte sie die lange Auffahrt hinab.
    »Kopf runter, Ole!«, zischte Lunette, dessen knochige Arme plötzlich überall waren. Sie drängten Ole an den Baum und schoben Jonas und den Hermes so zurecht, dass ihre Körper Ole verbargen.
    Warum? Jonas versuchte seine Lähmung abzuschütteln.
    Ein Trabant nach dem anderen wandte sich jetzt um, bis sie schließlich alle zum See hinunterstarrten – die Zuschauer, die Richter und schließlich auch Jonas.
    Dort unten am Wasser war die Fähre zurückgekehrt, sie dümpelte am Kai, und eine düstere Gruppe kam langsam die Auffahrt herauf, sehr klein, dann immer größer werdend, Schritt für Schritt, ganz ohne Eile. Bald machte Jonas ihre Kutten aus, dann den blanken Schädel ihres Anführers, und schließlich hörte er auch den monotonen Singsang der Mönche, ein rhythmisches Auf und Ab, das umso bedrohlicher wurde, je näher es kam.
    »Faramund!«, hörte er sich selber flüstern. Dann sah er Ole an, der sich winzig klein zu machen versuchte. Die Trabantenperücke hing Ole tief in die Stirn. Darunter war sein Gesicht grau.
    »Still!«, zischte Lunette mit großen Augen. »Nur nicht bewegen! Still!«
    Die Mönche kamen näher, sie folgten Faramund in Paaren. Je zwei von ihnen gingen nebeneinanderher, die großen Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, die Hände in den weiten Ärmeln ihrer dunklen Kutten verborgen, die Rücken gebeugt – so wie Raubtiere vor dem Sprung. Sie waren klein, nicht größer als Jonas, und doch hatte er das deutliche Gefühl, nie etwas Gefährlicherem begegnet zu sein. Der Gesang der Mönche war jetzt deutlich zu verstehen.
    »Grundguter Hirte,
    Halt die Hand über uns,
    Segne, schütze, schaffe uns,
    Schalte, walte,
    Du willst, Du weißt,
    Sind wir, dann sind wir,
    Was Du uns heißt.«
    Sie wiederholten das immer und immer wieder, Jungenstimmen, die am Ende des Verses jedes Mal mit einem Zischen verklangen.
    Die Jünger Faramunds!, schoss es Jonas durch den Kopf. Die Zwölfjährigen.
    Ole hatte die Augen geschlossen, seine Lider schimmerten bläulich.
    Als kämen dort Aussätzige, wichen die Trabanten nun zurück, bis der Platz wie eine offene Wunde wirkte. Niemand verdeckte mehr die Richter an ihren Tischen, den Zeugen Grimbert und Ruben, den Angeklagten. Alma stand immer noch schwankend vor ihrem Thron.
    Jonas starrte auf Faramund. Der Mönch war mittelgroß und dick. Über seinen kahlen Schädel spannte sich fleckige Haut, sein Nacken war breit und wulstig, die Augen lagen tief im festen Fleisch seiner Wangen verborgen. Seine Kutte schleifte über das Gras, als er vorbeiging.
    Dann verebbte der Singsang der Jünger, die Gruppe kam vor den Richtertischen zum Stehen.
    Jonas hörte den Hermes keuchen.
    Durch Alma ging jetzt ein Ruck,

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