Die unwillige Braut (German Edition)
einmal versprochen."
Er lächelte über ihre anscheinende Scheu. "Wie? Obwohl ich Euch vor drei Monaten sagte, dass Euer Schmerz gestillt werden könnte, wenn Ihr meinen Schutz annehmt? Ich denke doch, dass Ihr das für Euch behalten habt?"
"Ja, Pater." Sie stellte den Met auf die Truhe und schob ihre Hände in ihre weiten Ärmel. "Ich habe niemandem von Eurem Angebot erzählt. Es war sehr fürsorglich von Euch, aber wie ich schon sagte, war ich nicht sicher, ob es hilft, wenn ich Eure Konkubine werde. Und wenn Ihr mir jetzt auch die Ehe anbietet … nein, ich glaube, ich muss ablehnen. Bitte missversteht mich nicht. Es ist mir eine Ehre – aber das ist nichts für mich."
"Ich verstehe", sagte Pater Leofric. "Ihr würdet also lieber einen Normannen heiraten?"
"Ich würde lieber überhaupt nicht heiraten, Pater."
"Ich würde gut auf Euch aufpassen, Mylady. Und auch auf Euren Bruder."
Um ihren Bruder sorgte sie sich mehr als um sich selbst. In ihren Augen war Eric blind für alles Böse, mochte jeden, war voller Unschuld und ahnte von den Gedanken der Menschen ebenso wenig wie von den lüsternen Blicken, die über seinen schönen Körper glitten. Nie hatte sie ihn davon überzeugen können, dass es gefährlich war, ihn so oft zu zeigen, und sie wusste auch nicht, wie sie es anstellen sollte, darauf zu bestehen, ohne die Zuneigung zu seinen Männern in Furcht vor ihnen zu verwandeln.
"Ja, ich weiß", sagte sie.
"Und von Ralph de Lessay erzählt man sich Dinge …"
"Das, so glaube ich, sollte ich nicht wissen. Vielen Dank, Pater."
"Ihr solltet es wissen, Mylady. Mehr als einmal wurde er der Vergewaltigung bezichtigt, und seine Gemahlin starb unter sehr mysteriösen Umständen. Er ist ein allgemein bekannter …"
"Nein, danke, Pater Leofric!" Noch ehe der Priester mehr über den unangenehmen Charakter von Ralph de Lessay sagen konnte, hatte sich Rhoese erhoben und eilte zur Tür. "Ihr wart immer freundlich und hilfsbereit, und dafür danke ich Euch. Aber ich muss eine andere Lösung finden, auf die eine oder andere Weise."
Voller Furcht, ihre Ablehnung mochte verrückt erscheinen in Anbetracht der noch viel weniger annehmbaren Alternative, versuchte sie, ihm zum Abschied zuzulächeln. Doch sie durfte Eric keiner Gefahr aussetzen, obwohl sie meinte, ihr Bruder könnte mit Hilfe von Neal recht gut auf sich selbst aufpassen. Untereinander hatten sie über alle möglichen Aspekte männlicher und weiblicher Bedürfnisse gesprochen, und jetzt fehlte Eric nur noch Erfahrung. Doch er hatte Neal versichert, dass sie die beide erlangen würden, wenn die Zeit dafür reif war.
Seit einiger Zeit schon wusste Rhoese, dass Pater Leofric sie zu seiner Konkubine machen wollte. Jetzt deutete er an, dass es sie automatisch vom Befehl des Königs befreien würde, wenn sie erklärten, bereits Mann und Frau zu sein. Heutzutage wurden Ehen von Priestern nicht mehr gern gesehen, doch Erzbischof Thomas war selbst ein verheirateter Mann, und er würde keine Eheschließung annullieren, die bereits stattgefunden hatte. Und ihr war durchaus bewusst, dass der Priester, als er die Verbrechen von Ralph de Lessay beschrieb, sein stärkstes Argument eingebracht hatte, um sie zu überreden. Dennoch war sie zurückgekehrt, ohne mehr erfahren zu haben als den nachhaltigen Eindruck, dass Pater Leofrics Interesse an ihr nicht so groß war wie das an ihrem Bruder. Das war zwar nicht ungewöhnlich, doch es war beunruhigend. Bei Neal war Eric in Sicherheit, doch diese Anziehung lenkte vom eigentlichen Thema ab. Unter den gegebenen Umständen war sie froh, das wertvolle Evangeliar nicht bei Tage dem Priester gebracht zu haben.
Aus Gründen, die sie nicht einmal sich selbst gegenüber eingestehen wollte, ging Rhoese gleich nach dem Essen zu ihrer Kemenate, denn es war beinahe dunkel, und sie war sehr durcheinander, hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung, während sie das Ganze von jedem Blickwinkel aus betrachtete. Da war der Händler Murdac, der schon mehr als einmal um sie angehalten hatte. Er war ein Freund ihres Vaters gewesen, ein ruhiger, ein wenig einfältiger, aber reicher Mann, der ihr mehr hätte geben können als Pater Leofric, wenn sie sich nur nicht dagegen wehren würde, sich selbst zu verschenken, wie sie es dummerweise schon einmal getan hatte.
Immer wieder, wie in einem ständig wiederkehrenden Albtraum, sah sie die Szene im Palast des Erzbischofs vor sich, spürte sie den Griff des grässlichen de Lessay an
Weitere Kostenlose Bücher