Die unwillige Braut (German Edition)
ihrem Arm, sein abstoßendes Gesicht, seinen stinkenden Atem. Jede Nacht würde sie das erdulden müssen, bis – ja, bis was? Er war zurückgerissen und wie ein Kegel gegen den Stuhl des Königs geworfen worden. Als wäre sie eine prämierte Milchkuh, würde der Normanne noch mehr für sie bieten, so sehr gierte er nach dem, was er gesehen hatte.
Während sie auf ihrer Kleidertruhe saß, versuchte sie, die goldenen Bänder aus ihren Zöpfen zu lösen, und strich kurz über den Nacken von Erics Hund, der sie aus seinen großen dunklen Augen ansah. Nachts schlief er bei ihr in der Kemenate und kehrte am Morgen zu Eric zurück, und mit dem großen Wolfshund, der ihr bis zur Hüfte reichte, fühlte sie sich so sicher, als hätte sie eine bewaffnete Wache. Er hob den Kopf, spitzte die Ohren und sah zur Tür.
"Es ist nur Els", sagte sie, "sie bringt mir meine warme Milch."
Er senkte die Ohren und richtete sie dann wieder auf, während er mit dem Schwanz langsam auf die Dielen klopfte. Dann stand er auf, die Nase am Boden, und schnupperte, ohne auf Rhoese zu achten, die ihm befahl, aus dem Weg zu gehen. Dann, als die Tür aufging und eine große Gestalt den Rahmen ausfüllte, so dass kein Lichtschein mehr hindurch fiel, wedelte er wie besessen mit dem Schwanz. Die Kerzendochte zuckten im Windzug. "Hallo, alter Junge", flüsterte er. "Du kennst mich noch, was?"
Rhoese sprang auf, ließ die goldenen Bänder fallen und hielt einen dreibeinigen Hocker wie eine Waffe vor sich. "Hinaus!" rief sie. "Hinaus, oder ich rufe um Hilfe und lasse dich ins Loch werfen! Ich meine es ernst, Warin. In mein Haus setzt du keinen Fuß!"
"Aber ja doch, Rhoese. Mistress Rhoese of … of York, das tue ich. Siehst du es nicht?" Er war schon drinnen, hatte die Tür hinter sich geschlossen, und der Hund, der ihn sein Leben lang gekannt hatte, legte sich neben dem Bettvorhang nieder. Er hatte seine Pflicht getan. Warin war stark betrunken, aber doch nicht so sehr, dass er nicht auswich, als der Hocker durch die Luft flog und die Tür traf. Er stieß ihn mit dem Fuß beiseite. "Mein Schicksal ist es", murmelte er, "mit Frauen zusammen zu leben, die mit Gegenständen werfen. Ich dachte – ich dachte, inzwischen wärst du … darüber hinweg."
"Hinaus!" schrie Rhoese in der Hoffnung, dass jemand sie hören würde. Aber in der Halle sang Eric und spielte die Harfe, und niemand konnte sie hören, deswegen kam auch Els mit der warmen Milch zu spät. Selbst wenn Warin nüchtern gewesen wäre, hätte sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollen, betrunken konnte er doppelt so beleidigend werden. Und er war doppelt so gefährlich. "Warin", sagte sie und versuchte, vernünftig zu klingen. "Wo kommst du her? Warst du nicht zu Hause?" Sie wusste, dass er da nicht gewesen war, in diesem Zustand würde Ketti ihn nicht hereinlassen.
"Bin in Geschäften unterwegs gewesen, Schätzchen."
"Nenn mich nicht so!"
"Seit heute Morgen. Sie hat dir also die Nachricht geschickt? Ja, ich weiß, dass du helfen wolltest. Die Vergangenheit vergessen, was? Sind wir wieder Freunde?"
"Du bist nicht nur betrunken, Warin, sondern auch verrückt. Hinaus mit dir, geh nach Hause. Ich habe dir nichts zu sagen, und hören will ich auch nichts."
Er trat mitten ins Zimmer und umfasste die Säule, von der die Dachbalken aus gingen. Das Licht fiel auf seine dichten, blonden Locken und die breite Stirn, fing sich in den beinahe weißen, von der Sonne und dem Meer ausgeblichenen Brauen. Einst war er ihr schön und aufregend erschienen, jetzt waren seine Augen müde und blutunterlaufen, und sie sah bei ihm dieselben Zeichen wie bei ihrem Vater, der erschöpft gewesen war von einer ewig schimpfenden, nörgelnden, immer unzufriedenen Ehefrau. Kein Wunder, dass er lieber im Herbst aufs Meer zurückgekehrt war, statt zu Hause zu bleiben. Doch für Warin brachte Rhoese kein bisschen Mitgefühl auf.
"Rhoese", sagte er und streckte eine Hand aus. "Komm her, komm zu mir. Du weißt, warum ich hier bin, oder? Den ganzen Tag bin ich am Kai gewesen und habe sie nicht gesehen, ich kann ihren Anblick nicht ertragen. Alles habe ich falsch gemacht, mein Liebling, alles. Ich will zurückkommen, und ich will bei dir sein. Du willst mich doch, nicht wahr?"
Sie wich zurück und fragte sich, was sie einmal an diesem abstoßenden Mann gefunden hatte, der einst die Welt für sie gewesen war. Abstoßend war er, voller Selbstmitleid und Falschheit. Sie verachtete ihn so sehr für seine Unzuverlässigkeit.
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