Die unwillige Braut (German Edition)
er fort?" Sie stellte fest, dass sie zitterte, und das Erscheinen der anderen hatte sie an den Rand eines hysterischen Lachkrampfes gebracht, der die ganze Angelegenheit binnen kurzem in eine Farce verwandeln würde.
Man bestand darauf, dass sie und ihre beiden Frauen in dieser Nacht in der Halle schlafen sollten, doch es dauerte Stunden, ehe sie einschlief oder auch nur etwas Ruhe fand nach diesem entsetzlichen Tag. Warins unpassender Besuch hatte sie zutiefst verstört, denn dies war ihre erste Unterhaltung gewesen, seit er aus ihrem Leben verschwunden war, wenn auch nicht aus ihren Gedanken. Sein Erscheinen hatte all die Erinnerungen an den Schmerz und das Leid in ihr wieder erweckt, das sie quälte wie der Stich eines Messers. Von ihrer Schwangerschaft hatte sie ihm nichts erzählen, diesen Schmerz hatte sie nicht mit ihm teilen, sondern einen Trennungsstrich ziehen wollen. Jedes Recht, davon zu erfahren, hatte er verspielt, und jetzt war das etwas, für das sie niemals Trost finden würde, noch weniger konnte sie es jemals mit jemandem teilen. Damals, vor so vielen Monaten, hatte sie nichts weiter gewollt, als sein Kind in den Armen zu halten, und noch immer fühlte sie die sehnsuchtsvolle Leere in ihrem Leib. Aber nach Warin sehnte sie sich nicht. Nach überhaupt keinem Mann.
Es tröstete sie auch wenig, von fünf Männern aus den falschen Gründen begehrt zu werden, wenn sie doch selbst keinen einzigen wollte. Doch der Letzte, an den sie vor dem Einschlafen dachte, der stand in einem dunklen Stall, unnachgiebig, in einem Kettenhemd. Jedes Mal, wenn sie erwachte, auf die Mäuse im Dach lauschte, auf die Eulen und das leise Winseln von Erics Hund, störte derselbe Mann ihren Frieden, ein Mann, neben dem Warin wirkte wie ein dummer Schuljunge.
Die Geräusche, die von außerhalb in ihren Alkoven drangen, bereiteten ihren Träumen ein Ende und sagten ihr, dass die Männer schon auf waren, obwohl sich gerade die erste Morgenröte am Horizont zeigte. Regen trommelte schwer auf das Strohdach, und es war der erste Tag im Oktober, von den Engländern Winterfylleth genannt. Es war der Tag, an dem sie vor dem König erscheinen sollte, um vor Zeugen ihre Unterschrift zu leisten. Wenn sie nach Clementhorpe ins Nonnenkloster fliehen wollte, dann sollte sie das jetzt tun, am Tag vor ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag.
Els war neben ihr, als sie rasch quer über den Hof zu ihrer Kemenate ging, durch die Tür eilte, wo im Raum noch säuerlich der Geruch nach Bier hing wie eine schlechte Erinnerung. "Öffne die Läden", befahl sie und hob den Deckel ihrer Truhe an. "Hier stinkt es."
Els beeilte sich, ihre Anweisung zu befolgen, doch dann schrie sie auf. "Oh … oh, heilige Muttergottes!" jammerte sie. "Oh, und ich bin hineingetreten! Herrin … seht!"
"In was hineingetreten?
"Blut! Schaut hierher!" Unfähig zu beschreiben, was sie sah, konnte Els nur zitternd darauf zeigen.
Rhoese zerrte an den Stricken und öffnete die Läden, befestigte die Enden am Haken, so dass genügend Tageslicht hereinfiel, um einen großen Leichnam zu beleuchten, der mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Rücken lag, fast so, wie sie ihn am Vortag das letzte Mal unter dem Stuhl des Königs gesehen hatten. Es war Ralph de Lessay, dem ein Dolch aus der Brust ragte, aus seiner blutdurchtränkten Tunika.
Als Judhael de Brionne mit einer Gruppe von Reitern erschien, um Rhoese zu ihrer Verabredung zu eskortieren, hatte der Regen aufgehört. Im Hof hatten die besorgten Nachbarn bereits begonnen, sich zu versammeln. Ihre Pflicht war es, für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in dieser Gegend zu sorgen, in Yorkshire waren sie als Einhundert bekannt. Jedermann war verantwortlich für jedermanns Taten, daher war ihr Interesse in diesem Fall darauf gerichtet, möglichst schnell den Mörder zu finden. Es war der Sache nicht eben nützlich, dass der Dolch, den man benutzt hatte, um Ralph de Lessay zu töten, ursprünglich Eric gehört hatte, bis er ihn seiner Schwester gab, damit sie ihn jederzeit bei sich tragen konnte, wenn das nötig sein sollte.
"Er hing an dem großen Balken in der Mitte meiner Kemenate", sagte Rhoese zu Bruder Alaric, während sie zusahen, wie vier normannische Soldaten den Leichnam in die Halle trugen. "Meine Schermesser bewahre ich dort auch auf. Und meine Spindeln. Aber was hat er ausgerechnet in meiner Kemenate gesucht? Glaubt Ihr, er hat mich dort vermutet?"
Genau das war es, was der Geistliche dachte,
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