Die unwillige Braut (German Edition)
wo der König stand, mit Judhael de Brionne und seinen Anhängern, daran vermochte sie sich später nie zu erinnern. Die Heiratszeremonie erlebte sie wie einen Traum, in dem ihre Antworten vom anderen Ende eines Tunnels kamen, aus weiter Ferne, wie ein Echo. Warin, blind und verstümmelt. Warin, den sie einmal geliebt hatte. Sie wusste, er wäre lieber gestorben.
Man musste Jude zugute halten, dass er an Rhoeses entsetztem Gesichtsausdruck zu erraten vermochte, was der Erzbischof ihr zu diesem denkbar schlechtesten Zeitpunkt gesagt hatte. Der König war nicht gerade in bester Stimmung, ungeduldig wartete er auf das Ende der Zeremonie und empfand nicht das geringste Mitgefühl bei Rhoeses stotternden Erwiderungen. Jude unterstützte sie, erinnerte sie an ihre Antworten, drückte ihr die Feder in die Hand, damit sie ein Kreuz bei ihrem Namen machte, den der Schreiber eingesetzt hatte. Dabei hätte sie um ein Haar ihren Namen auf seinen Finger geschrieben, und zwar weitaus deutlicher als der Schreiber. Erstaunt sah er zu Bruder Alaric hinüber, und er begriff, dass in dieser Frau mehr steckte, als sich auf den ersten Blick zeigte.
Noch immer wie benommen und entsetzt, weit davon entfernt, sich über Warins schreckliches Schicksal zu freuen, ließ Rhoese es geschehen, dass Jude ihre Hand nahm. Dabei fühlte sie den Druck des Rings an ihrem Finger, während sie seine höfische Tunika betrachtete, die blau war, rot und gold, der kurze Umhang mit dem Fell des Baummarders gesäumt. Sein schwarzes Haar schimmerte bläulich, und plötzlich schmerzte ihr das Herz bei dem Gedanken an seine zukünftige Untreue, von der sie den Blick abwenden sollte, an die Frauen, die sie mitleidig ansehen würden und an die Kühle, die sie aushalten musste, wenn sie schwanger war. Der Liebestrank war keine gute Idee gewesen, denn erst im Frühling würde sie die Zutaten dafür wieder finden können.
Männliche Jubelrufe erschollen, als Jude sie küsste. "Ich habe gewonnen!" schrie einer. "Ich habe meine Wette gewonnen! Gut gemacht, de Brionne. Wir wussten, dass du es schaffen kannst." Andere riefen ähnlich absurde Dinge, bis sie von einem Befehl des königlichen Beichtvaters Ranulf Flambard zum Verstummen gebracht wurden. "Schluss mit dem Lärm!" rief er. "Zeigt gefälligst etwas Respekt! Oder geht hinaus."
"Amen", sagte Erzbischof Thomas. "Kommt, Lady. Werdet Ihr jetzt vor Eurem Gemahl niederknien?"
Jude hielt ihre Hand fest. "Nein, Mylord, das wird sie nicht tun." Er sah den König an. "Ich bitte um die Erlaubnis, gehen zu dürfen, Sir."
"Ins Bett?" fragte der König und stand auf. "Jawohl, geht ins Bett Eurer Gemahlin und seht zu, dass Ihr sie ein wenig erhitzt. Sie ist so kalt wie ein Wintertag. Für morgen seid Ihr von Euren Pflichten entbunden, de Brionne, denn Ihr werdet Euch wohl kaum vor Mittag erheben, außerdem habt Ihr neue Pflichten, um die Ihr Euch kümmern müsst. Die Stiefmutter Eurer Gemahlin obliegt jetzt Eurer Verantwortung, und ich hoffe, sie weiß, wie viel sie Eurem Einschreiten verdankt. Wäre es nach mir gegangen, hätte sie den Kerl ganz verloren, aber jetzt wird er ihr nicht mehr sehr von Nutzen sein können, oder? Es liegt bei Euch, ob Ihr Toft Green ihr überlasst oder sie woanders unterbringt. In jedem Fall werden wir York übermorgen verlassen, also solltet Ihr dafür Sorge tragen, dass sie dann reisefertig ist. Verstanden?"
"Jawohl, Sir. Und vielen Dank."
Der König nickte und blickte mehrmals zu Rhoese hin. "Lasst mich wissen, wie es mit Euch weitergeht", sagte er. "Die Vormundschaft dieser Frau für Euch ist beendet. Von jetzt an gehört Ihr de Brionne. Wann immer ich es wünsche, werdet Ihr mit ihm an meinen Hof kommen. Ein wenig Klasse kann dort nicht schaden, selbst wenn es englische Klasse ist."
Rhoese verneigte sich. Sie spürte den Druck von Judes Hand bei diesem einzigen Versuch des Königs, ein Kompliment anzubringen. Sie gingen, ehe sich seine wohlwollende Stimmung ändern konnte. Die kurze Reise durch Yorks dunkle Straßen war kalt, freudlos und alles andere als entspannt nach dem Wein und der Wärme, den Gratulationen und dem Lachen. In Rhoeses Ohren hallten noch die peinlichen Schreie jener wider, die auf Grund von Judes Erfolg hohe Wetten gewonnen hatten, vermischt mit Kettis nur im Geiste hörbaren Schreien über Warins entsetzliche Wunden. Sie hatte damit gerechnet, die Eifersucht ihrer Stiefmutter zu ertragen, sogar Warins Betrügereien und seine Dummheit, aber nicht einmal in ihren
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