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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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zäh wie Gummi, und von der Parmigiana di melanzane möchte ich ernsthaft abraten. Sie nimmt zu viel Öl, wissen Sie. Viel zu viel Öl. Und das Öl ist nicht das beste. Preiswert, aber nicht das beste. Außerdem ist der Fisch nicht immer frisch. Sie kauft ihn billig ein, sehr billig, verstehen Sie. Voriges Jahr hatten wir einen Urlauber aus Holland hier, einen Signor Frijhoff aus Utrecht. Er bestellte die Sgombri alla marinara und musste dann vom Notarzt – also, er musste nach Neapel gebracht werden und –« Er hielt inne, blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. «Eine unerfreuliche Sache. Unerfreulich. Es war nicht das erste Mal, wissen Sie – nicht das erste Mal, dass die Chefin einen Gast mit ihren Speisen –« Wieder stockte der alte Mann und wandte den Blick von mir ab. »Man weiß nie bei ihr. Na ja, lassen wir das. Lassen wir das. Wie gesagt, ich möchte der Chefin nichts unterstellen, nicht das Geringste. Und ich zähle natürlich auf Ihre Diskretion. Aber am besten gehen Sie zur Corricella hinunter, zum alten Fischerhafen, dort gibt es einige gute Bars und Restaurants, die Trattoria Gabriela zum Beispiel. Nehmen Sie das Kaninchen mit Polenta, es ist ausgezeichnet. Ganz ausgezeichnet. Natürlich wird es die Chefin ärgern, dass Sie nicht hier essen, natürlich, aber an der Corricella kann Sie niemand – also, dort kann Ihnen in puncto Essen nichts passieren.«
    Als ich später aus dem Haus ging, spielte Achille eine Melodie, die mir bekannt vorkam, und sang mit wimmernder Stimme dazu. Er klang wie eine singende Säge. Die senkrechten roten Linien auf seiner Stirn hatten sich verflüchtigt.
    Inzwischen war es dunkel geworden. Ich schaute nach dem Fahrrad. Die Vorderlampe funktionierte, es gab auch einen Rückstrahler, und so beschloss ich, es zu benützen. Ich fuhr bis zur Piazza dei Martiri, wo eine schöne, gelb gestrichene barocke Kirche mit einer großen Kuppel stand. Das unebene Pflaster des Vorplatzes aus dunklem vulkanischen Gestein glänzte im Licht der Straßenlaternen. Was ich nicht gewusst hatte, war, dass man von dort aus nur über enge Treppen zur Corricella und ans Meer gelangen konnte. Da ich das Rad, für das ich kein Schloss hatte, nicht stehen lassen wollte, hob und schob ich es mühevoll über die vielen Stufen hinunter. Ein Fischer mit einer roten Mütze und zylinderartigen Reusen über der Schulter kam mir entgegen.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte er.
    »Nein, danke, es geht schon.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Starke Frau«, meinte er. »Und groß! Sind Sie Holländerin? Starke Frauen, die Holländerinnen.«
    Ich zog es vor, nicht zu antworten, und ging weiter.
    »Sie sehen aber gar nicht stark aus!«, rief er mir nach.
    Die eng aneinandergebauten Häuser, zwischen denen sich die Treppen zum Meer hinunterwanden, wirkten ärmlich und baufällig, soweit ich dies im Licht der schlechten Straßenbeleuchtung ausmachen konnte. Die Wände waren schmutzig, der Putz abgeblättert, das Holz der Fensterrahmen und Türen abgenützt und morsch.
    Als ich endlich am alten Hafen ankam, war ich ziemlich erschöpft. Boote schaukelten auf dem Wasser, Berge rotbrauner, ockerfarbener und safrangelber Netze lagen am Ufer. Obwohl es kühl war, saßen einige ältere Männer, wohl Fischer, in schmutzigen Jeans und T-Shirts, mit Schildmützen auf dem Kopf und Wein- und Schnapsgläsern vor sich an ein paar Tischen vor den kleinen Restaurants und unterhielten sich lautstark. Die Eingangstüren der Gasthäuser waren offen, es roch nach Fisch, und ich merkte, dass ich hungrig war, denn mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich schob mein Fahrrad an den Männern vorüber, auf der Suche nach der Trattoria Gabriela. Als sie mich sahen, begannen sie zu lachen. »Hallo, Süße!«, rief einer. »Wie war die Fahrt über die Treppen? Holprig?«
    »Die einzige Touristin auf der Insel, garantiert«, sagte ein anderer. »Wer kommt schon im November hierher?« Er reckte den Kopf nach mir.
    »Haben Sie den Drahtesel am Flughafen in Neapel gemietet?«, fragte er. »Bei Hertz?«
    Alle lachten. Sie nahmen wohl an, dass ich sie nicht verstand.
    »Bestimmt eine Deutsche. Die haben immer ihr Fahrrad dabei. Sicher ist sie auf den Spuren von Neruda unterwegs«, vermutete ein Dritter. »Signorina, die Locanda del Postino ist gleich da hinten! Wenn Sie Glück haben, ist er drin und spielt Tischfußball mit Massimo Troisi und seiner Liebsten.«
    Erneut lautes Auflachen. Ich hatte den Film gesehen, aber kein besonderes Bedürfnis,

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