Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
Vom Netzwerk:
aufgehört hat zu heulen. Das ist doch übertrieben! Ich sag dir, Anders, da stimmt was nicht.«
    Er tippte sich mit dem rechten Zeigefinger an die gerötete, von blauen Äderchen durchzogene Nase. Wahrscheinlich Alkoholabusus. Nichts Ungewöhnliches bei einem Wirt.
    »Schön ist er nicht, mein Zinken«, fuhr er fort, »aber seine Witterung ist ziemlich fein. Außerdem hat Gabriela –« Er wandte sich erklärend zu mir. »Also, meine Alte, Gabriela, hat den Ehemann mit Elettra gesehen, der Tochter von Luigi, dem Lotsen, die als Stubenmädchen in der Pensione Paradiso gearbeitet hat, wo das Ehepaar wohnte. Die Kleine war damals sechzehn. Wenn nicht fünfzehn. Jedenfalls hat meine Alte sie gesehen. In einem Boot, in der Bucht zwischen Punta Ottimo und Punta Serra. Ein Ruderboot am Strand. Gabriela ist ein Kind des Volkes und bei Gott nicht prüde, aber was sie da gesehen und gehört hat …« Er schwieg. »Ach, die Reichen!«, sagte er dann und stand auf. »Alle gleich! Heuchlerisches Pack! Nur auf Geld und Sex aus. Auf möglichst frisches Fleisch.« Er hob den Kopf, riss den Mund weit auf und gähnte geräuschvoll. »Wie auch immer, ich geh ins Bett. Sperrstunde!«
    Das böswillige Geschwätz hörte nicht auf. Hier langweilten sich die Leute offenbar ebenso wie im Sausal. Ich fragte mich, wie Vittorios Frau und seine Schwiegermutter aussahen. Sie waren den ganzen Abend nicht zu sehen und kaum zu hören gewesen.
    Gemeinsam verließen der Mann aus Hamburg und ich die Trattoria. Ich ging zum Fahrrad, das an der Mauer lehnte.
    »Gott sei Dank, es ist noch da«, sagte ich. »Ich habe nämlich kein Schloss, wissen Sie.«
    Der Übersetzer nahm seine Zigarette aus dem Mund, blieb abrupt stehen und starrte auf das Rad.
    »Das ist mein Fahrrad«, sagte er tonlos.
    »Wie bitte?«
    Im Grunde erstaunte mich seine Behauptung nicht sehr. Es war durchaus stimmig. Manchmal geschahen eben sonderbare Dinge.
    »Ja, es gehört mir. Irrtum ausgeschlossen. Die Farbe – ich habe es selbst gestrichen, es war ziemlich rostig. Auch die Form, der rosa Sattel. Unverkennbar. Man hat es mir gestohlen, vor einem Monat ungefähr. Wo haben Sie es her?«
    Er blickte mich argwöhnisch an. Sein Misstrauen ärgerte mich.
    »Was denken Sie denn? Sie wissen doch, dass ich erst gestern angekommen bin. Signor Smaldone von der Pensione Paradiso hat es mir geliehen. Er hat es auf einer Müllhalde gefunden und repariert.«
    Anders besah sich das Rad.
    »Unglaublich«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Es ist jetzt in besserem Zustand als vorher.«
    »Sie müssen das mit dem Pensionswirt besprechen«, sagte ich. »Ich gebe es natürlich sofort zurück.«
    »Nein, nein, behalten Sie es nur, solange Sie hier sind«, sagte er. »Ich bin nicht oft damit gefahren. Aber dieser Zufall! Eigenartig.«
    »Ja, eigenartig«, sagte ich und musste lächeln. Als wir am Fuß der Treppe angekommen waren, nahm er mir die Lenkstange aus der Hand, während er weiterrauchte.
    »Lassen Sie mich das Rad schieben«, sagte er. »Ich sehe schwach aus, aber ich bin zäh.«
    Er krümmte sich und hustete seinen krächzenden Raucherhusten. Wir standen direkt unter einer Straßenlampe. Jetzt erst sah ich, dass jemand einen Zettel unter den Gepäckträger geklemmt hatte.
    »Was ist denn das?«, sagte ich und zog den Zettel heraus.
    »Ein Strafmandat«, sagte Anders. »Falsch geparkt.« Sein Krächzen ging direkt in ein heiseres Lachen über, das sich kaum von seinem Husten unterschied. Es gefiel mir sehr. Ich faltete den Zettel auseinander.
    Wir brauchen hier keine Schnüffler , stand darauf. In Blockbuchstaben. Mit grünem Filzstift geschrieben.
    Anders nahm mir den Zettel aus der Hand.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er. »Sind Sie die Schnüfflerin?«
    Ich beschloss, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Ein Mann mit einem solchen Lachen verdiente es.
    »Ich war mit dem Ehepaar König gut befreundet«, sagte ich.
    »Tatsächlich? So ein Zufall. Eigenartig«, sagte Anders.
    »Ja, eigenartig.«
    Nun lachten wir beide.
    »Zum Lachen ist das gar nicht«, sagte der Übersetzer dann. »Eine traurige Sache, der Unfall.«
    »Es waren sie, die mir die Pensione Paradiso empfohlen haben«, erklärte ich. »Schon vor Jahren. Ich hatte seit langem die Absicht, die Insel zu besuchen, weil sie mir oft davon vorschwärmten. Nur die Pensionswirtin und das Stubenmädchen wissen, dass ich das Paar gekannt habe.«
    »Und ich weiß es jetzt auch«, sagte Anders und lachte wieder. »So sind wir schon drei. Sie

Weitere Kostenlose Bücher