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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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sonst hätte ich mich auf die Affäre nicht eingelassen. Was die Männer betrifft, mit denen ich ins Bett gehe, habe ich immer auf leidenschaftlichen Gefühlen bestanden. Wenn schon ich selbst nichts empfinde, wenigstens ihr Verlangen soll maßlos sein! Was für ein Gefühl der Überlegenheit, derart heftige Emotionen auszulösen, ohne selbst beteiligt zu sein, die Person, die sich vergebens nach einem verzehrt, in ihrer ganzen Ohnmacht beobachten zu können, so, als wäre sie ein Insekt, ein Wurm, der sich krümmt und windet, wenn man ihn zwischen den Fingern hält. Imstande zu sein, diese Kreatur jederzeit zu zerquetschen.
    Aber es geht nicht nur darum, mir M. vom Hals zu schaffen. Der Bratschist, den ich durch die Arbeit mit dem Streichquartett kennengelernt habe, spielt bei den Grazer Symphonikern, und mit einem Wohnsitz in der Südsteiermark wäre es für mich viel einfacher, ihn zu treffen. B. ist fünfundzwanzig, es ist seine erste Anstellung. Er ist hinreißend sexy, ohne sich dessen bewußt zu sein, nachgerade rührend in seiner Arglosigkeit und Unerfahrenheit! Und so weich und beeinflußbar, unwiderstehlich für eine Frau wie mich. Wenn man klug und kaltblütig vorgeht und sie nicht erschreckt, fressen einem diese gutgläubigen jungen Typen binnen kürzester Zeit aus der Hand. Sobald sie so richtig Feuer gefangen haben, lassen sie alles mit sich machen.
    Mit Stefan werden die Dinge immer unerquicklicher. Er weiß, daß ich ihn betrüge, kann mir aber nichts nachweisen. Daß ich aus dem Schlafzimmer ausgezogen bin, hat er nicht verkraftet. Ich ertrage seine Berührungen nicht mehr, sein Körper ist mir zuwider, und das nicht erst, seit ich mit B. schlafe, der so viel jünger ist als er. In seiner erbärmlichen Schwäche ist Stefan in letzter Zeit mehrmals gewalttätig geworden, hat mich geohrfeigt und mit den Fäusten auf meine Oberarme eingeschlagen. Die Blutergüsse sehen häßlich aus, außerdem sind mir die Fragen peinlich, die B. stellt. Ich könnte Stefan anzeigen, bin davon überzeugt, daß einer Klage wegen Körperverletzung stattgegeben werden würde. Aber ich ziehe es vor, ihn mir noch eine Weile anzusehen in seiner ganzen Jämmerlichkeit und Armseligkeit. Was für ein abgeschmacktes Spektakel! Vor ein paar Tagen ist er vor mir auf die Knie gefallen, hat meine Beine umfaßt und mich weinend angefleht, ins Ehebett zurückzukehren. Natürlich bin ich nicht darauf eingegangen, und als ich auf ihn hinunterschaute und über seine entwürdigende Darbietung laut lachen mußte, stand er auf, stieß mich zu Boden und trat mir mit dem Fuß gegen die Hüfte. Es tat weh, aber die Genugtuung, ihn seine Selbstbeherrschung verlieren zu sehen, hat mich für den Schmerz entschädigt. Solche infantilen Ausbrüche bereut er unweigerlich ein paar Minuten später, er weiß, daß ich ihn dafür zutiefst verachte. Wenn er wenigstens zu seinen haßerfüllten Attacken stehen würde! Alles ist mir lieber als die unterwürfige Weise, auf die er mich danach um Verzeihung bittet.
    Nicht er wird es sein, der mich verläßt, ich werde diejenige sein, die geht. Aber vorher werde ich ihn noch ein bißchen quälen. Er hat es sich selbst zuzuschreiben. Zu sehen, wie er sich jedesmal von neuem provozieren läßt, jedesmal die gleichen Reflexe zeigt, ist belustigend. Klassische Konditionierung, der ideale Pawlowsche Hund. Zweifellos wäre es interessant zu beobachten, wie er reagiert, wenn ich ihm die Liste vorlege.«
    Die Liste. Welche Liste? Was war darunter zu verstehen? Mittlerweile traute ich Regina jede Niederträchtigkeit zu.
    Ich schloss die Datei und ging ins Internet, um mich über die Abfahrts- und Ankunftszeiten der Schnellfähren zu informieren, die zwischen Procida und dem Festland verkehrten, denn ich hatte vor, nach Neapel zu fahren und Signora Ciaccoppolis ungeratenen Enkel ausfindig zu machen. Ich war sicher, er würde mir weiterhelfen können. Zwar galt einstweilen noch der übliche Fahrplan, doch wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Wetterverschlechterung, die für die folgenden Tage zu erwarten war, Verspätungen und sogar Ausfälle im Fährverkehr nicht ausgeschlossen werden konnten. Der Gedanke, ich könnte auf Procida festsitzen, behagte mir nicht.
    Ich schaltete den Computer aus, stand auf, legte mich auf das Bett, auf die Seite, und streckte die Beine aus. Die Wolldecke roch muffig. Das rechte Auge der großen Plastikpuppe blickte mich starr an, das linke war fast geschlossen. Ja, sie zwinkerte mir zu,

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