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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Kleidungsstücke lagen, standen rechtwinkelig zueinander in einer Ecke.
    Die Behausung eines Mannes. Eines sanftmütigen Mannes. Eine anheimelnde Höhle, die einer Frau keine Angst machte.
    Mit einem großen Teller, auf dem sich duftendes goldbraunes, rautenförmiges Gebäck stapelte, kam Anders schließlich aus der Küche. Im linken Winkel seines Fischmundes hing eine Zigarette. Sein Gang war unsicher.
    »So, hier ist die Crema fritta«, sagte er. »Man muss sie gleich essen. Sofort! So– solange sie warm ist.«
    »Das sieht nicht aus wie eine Creme«, sagte ich.
    »Ist es aber, ist es aber!«, sagte er vehement. Seine Aussprache war ein bisschen undeutlich. »Man lässt sie eindicken und er– erk– also, auskühlen, dann schneidet man sie in diese – hm – in diese kleinen Karos, taucht sie in Ei und bäckt sie in Öl heraus. Genau.«
    Nebeneinander auf einem der Sofas sitzend, aßen wir die Rhomben. Sie schmeckten ausgezeichnet. Ich schrieb mir das Rezept auf. Der Koch hatte nichts dagegen.
    »Sie haben sich einen zauberhaften Platz für Ihr Domizil ausgesucht«, sagte ich.
    »Nicht wahr? Das Haus ist denkmal– denkmal– Nicht wahr?«
    »Denkmalgeschützt?«
    »Genau, denkmal– Es wird oft fotografiert. Unun– ununter– jedenfalls oft. Im Internet sind Ab– Ab– also, Fotos.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte ich und lächelte.
    Anders blickte versonnen vor sich hin.
    »Ich liebe die Insel«, sagte er. »Ich möchte mir hier ein kleines Haus kaufen. Ja, das möchte ich. Und hier sterben – also, zumindest – zumindest begraben werden. Genau. Auf dem Friedhof hier. Er ist so – so romantisch. Ich habe mir schon eine Grabstelle gekauft. Sie war gar nicht teuer.« Er sah mich an. »Nein, gar nicht teuer. Und, wissen Sie – wissen Sie –«
    »Ja?«
    »Ich habe das Essen mit Ihnen genossen«, sagte er und nickte ein paarmal mit Nachdruck. »Un– unendlich genossen.« Er nickte nochmals. »Unendlich! Ja.« Dann dämpfte er seine Zigarette auf dem Fußboden aus, dehnte und streckte sich und legte seinen Arm auf die Lehne hinter meinem Kopf. Ich sank noch tiefer in die weichen Kissen. »Unendlich«, wiederholte er und wandte mir das Gesicht voll zu. Ich sah zu ihm auf. »Wir sollten – also, ich finde, wir sollten endlich das Du-Wort – Ich meine, wir sollten – uns duzen. Genau. Uns duzen. Finden Sie – findest du –« Sein Gesicht kam immer näher, und seine langen Finger begannen sacht meinen Nacken zu streicheln. Ich rührte mich nicht. Da läutete das Mobiltelefon in meiner Handtasche, die neben mir auf dem Fußboden stand.
    »Entschuldige – entschuldigen Sie, bitte«, sagte ich und begann in der Tasche zu kramen. Ich fand das Handy gleich. Das Display zeigte Stefans Nummer an. Es war das erste Mal seit meiner Abreise, dass er mich anrief.
    Anders nahm den Arm vom Sofa, seufzte und stand auf. Er schwankte leicht. »Sie können auf dem Balkon telefonieren, da sind Sie un–« Er setzte von neuem an. »Un– wie sagt man schon?« Er griff nach dem leeren Teller. »Ist ja egal.«
    In dem Augenblick läutete das Festnetztelefon, das neben dem Sofa auf einem kleinen Tischchen stand. Wir sahen einander an.
    »Eigenartiger Zufall«, sagte Anders und hob den Hörer ab. »Bestimmt Allegra. Sie ruft un– unun–« Er holte Luft. »– un-unterbrochen an, wegen der Kinder, wissen Sie.«
    Der exzentrische Mensch hatte also eine Exfrau und Kinder. Erstaunlich.
    »Ja, eigenartig«, sagte ich und nahm das Gespräch entgegen. Ich trat auf den Balkon hinaus. Inzwischen war der Wind stärker geworden, ich hörte, wie die Wellen weit unter mir an die Kaimauer der Marina Corricella, an die Wände der dort verankerten Boote schlugen.
    »Wie, eigenartig?«, fragte Stefan. »Was, eigenartig? Du klingst so heiter. Die Finnen sind doch ernste Menschen. Wo bist du überhaupt? Sissi? Sissi!«
    »Ja, ja, ich bin da, ich bin da«, sagte ich. »Wie geht es dir?«
    »Wo bist du?«, wiederholte Stefan misstrauisch. »Bist du nüchtern?«
    »Bei einem Essen«, sagte ich. »Und natürlich bin ich nüchtern. Ein offizielles Essen für die Teilnehmer der Konferenz. Im großen Festsaal des Rathauses von Helsinki. Der Bürgermeister hat eben eine Rede gehalten.« Gab es in Helskini einen Bürgermeister? In diesen skandinavischen Ländern wurden doch so viele politische Ämter von Frauen bekleidet. Egal, Stefan würde es nicht wissen. »Eine lustige Rede.«
    »Lustig? Auf Finnisch?«, fragte Stefan. »Du verstehst doch

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