Die Unzertrennlichen
nicht im Ernst!«, sagte sie dann. Sie fasste sich und wies auf ihre Ohren. »Ich habe nämlich nicht nur Augen, sondern auch Ohren wie ein Luchs. Sie hat mit den Männern gescherzt und gelacht, und der eine, ich glaube, er heißt Salvatore, ein recht ansehnliches Mannsbild, hat gleich den Arm um sie gelegt. Gewalt, lachhaft!«
»Salvatore? Sie kennen die beiden anderen Männer persönlich?«
»Nein, nicht persönlich, nicht wirklich. Ich habe sie ein-, zweimal auf der Insel gesehen, in Begleitung meines Enkels, deshalb weiß ich, dass einer von ihnen Salvatore heißt. Der Name des anderen ist mir unbekannt. Alle beide haben Kontakte zur Camorra, so viel ist sicher. Ich habe keine Ahnung, wie weit diese nichtswürdigen Kerle meinen Enkel schon in ihre Gaunereien hineingezogen haben. Im Grunde ist er ein guter Bub, verstehen Sie, er ist ja noch so jung, da gerät man leicht in schlechte Gesellschaft. Ich bin sicher, in ein paar Jahren ist er mit einem netten Mädchen aus Procida verheiratet und arbeitet als Zimmermann, so wie sein Großvater und sein Vater.«
»Wissen Sie vielleicht, wie und wo ich einen der drei treffen könnte?«
Die alte Frau überlegte.
»Na ja, Dante Gabriele – also, mein Enkel – hat uns verlassen«, sagte sie dann. »Ihm ist ein armseliges Zimmer in diesem Sündenpfuhl von Neapel lieber als unsere wunderschöne Insel. In Scampia noch dazu – eine fürchterliche Gegend, völlig gesetzlos! Alles lebt vom Drogenhandel. Er hat mir erzählt, dass er dort weder Miete, Wasser, Strom noch Heizung bezahlt. Er weigert sich einfach, so wie viele andere auch. Die Behörden sind machtlos. Soviel ich weiß, hält er sich oft in einer Kneipe in der Nähe dieser Bruchbude auf, wie heißt die Straße noch?« Sie dachte nach. »Ich glaube – ja, ich glaube, es ist die Via dell’ Abbondanza. Seine Mutter hat ihn schon mehrmals dort angetroffen.«
»Dante Gabriele, ein schöner Name. Wissen Sie, wie das Lokal heißt?«
»Lassen Sie mich nachdenken … Irgendetwas mit – ja, Bar degli amici heißt es. Ha! Schöne Freunde sind das! Er spielt Billard mit ihnen, im Hinterzimmer, und verliert sein ganzes Geld dabei.«
»Ich danke Ihnen vielmals, Signora Ciaccoppoli«, sagte ich. »Ihre Hinweise sind mir eine große Hilfe.«
»Bitte gern, bitte gern. Schließlich stehen Sie auf vertrautem Fuß mit meinem Verlobten und zukünftigen Ehemann. Aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, liebes Fräulein: Lassen Sie die Finger von der Sache. Ich gehe jede Wette ein, Ihre Bekannte treibt sich irgendwo in Neapel herum und amüsiert sich bestens. Man sollte sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen, schon gar nicht in die der besten Freundin. Sie wird wissen, was sie tut.«
Die kleine Frau machte ein paar Schrittchen in die Wiese hinein und deutete ins Gras. »Sehen Sie, dort ist Peppone!«, rief sie. »Dort drüben, gleich neben der Katze! Der Panzer ist gelbbraun, mit dunklen Flecken. Er hat sein Gehege hinter dem Haus, aber am liebsten läuft er in der Wiese herum und frisst. Er frisst ununterbrochen. Sehen Sie ihn?«
Sie hatte Silvio kurzerhand umgetauft. Ich sah Peppone nicht.
»Ja!«, rief ich. »Ja, ich sehe ihn genau!«
Allmählich wurden diese harmlosen kleinen Lügen zur Gewohnheit. Sie vereinfachten einiges.
»Wissen Sie, was wir im Winter mit ihm machen?« Die Signora gackerte kurz auf. »Wir stecken ihn vier Monate in eine Lade der Kühltruhe. Er muss nämlich …«
Die Alte redete und redete und redete, aber ich hörte nicht mehr zu. Nachdem sie mir verraten hatte, was ich wissen wollte, war mein Interesse an ihrer Menagerie deutlich zurückgegangen.
»Also, nochmals herzlichen Dank«, unterbrach ich sie. »Und auf Wiedersehen.«
Ich wandte mich zum Gehen. Da meldete sich Huckebein zu Wort. Ich hörte ihn ganz deutlich. »Wo gehst du hin? Wo gehst du hin? Fettarsch! Fettarsch!«, kreischte er.
Ein langgezogenes Gackern folgte mir, ich war nicht sicher, ob es von der Signora oder einem ihrer Hühner stammte. Wie zum Trotz schwang ich meine schmalen Hüften. Ich würde nach Neapel fahren. Aber vorher würde ich noch ein bisschen in Reginas Journalen lesen.
8
»Gestern habe ich Stefan von der Abtreibung informiert. Ich war mir sicher, die Mitteilung würde ihn hart treffen. Er hatte sich entschieden dagegen ausgesprochen, hatte sich das Kind gewünscht, mich beschworen, es zu behalten, obwohl ich ihm, sobald ich wußte, daß ich schwanger war, klar und deutlich auseinandergesetzt
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