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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Weihers. Sie war, hm, na ja, stark verwest, von Algen bewachsen und durch Tierfraß zum Großteil bereits skelettiert. Also, Sie können es sich ja vorstellen – Fische, Krebse, Schnecken, Blutegel, wahrscheinlich auch Ratten. Da es sich mir um einen verdächtigen Todesfall, also, um ein mögliches Tötungsdelikt zu handeln schien, habe ich sofort veranlasst, dass ein Gerichtsmediziner beigezogen wird. Es ist anzunehmen, dass der Körper sehr lange im Wasser lag. Mindestens, hm, na ja, zwei, drei Jahre. Mehr möchte ich, also, im Augenblick nicht preisgeben, meine Verehrteste. Wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie sich, hm, an Herrn Dozent Doktor Hasiba von der Grazer Gerichtsmedizin wenden, der Ihnen sicher bekannt ist.«
    Herr Dozent Hasiba. Ausgezeichnet. Und ob er mir bekannt war. Noch von meiner Studienzeit in Wien. Er war etwa zehn Jahre älter als ich, hatte damals als Assistent am rechtsmedizinischen Institut gearbeitet und war später nach Graz, in seine Heimatstadt, zurückgekehrt. Eine Zeitlang waren wir recht gut miteinander befreundet gewesen, ich war ein paar Mal mit ihm ausgegangen, aber eine engere Beziehung hatte sich nicht ergeben. Zu seinem Leidwesen. Zwar standen wir seit Jahren nicht mehr in persönlichem Kontakt, aber ich war mir sicher, dass er gegen ein Treffen nichts einzuwenden haben würde. Im Gegenteil.
    Am Sonntag fuhr ich schon gegen zwei Uhr nachmittags durch eine weite, tief verschneite Winterlandschaft auf der A9 nach Norden. Der Schnee auf den Feldern zu beiden Seiten der Autobahn glitzerte in der Sonne. Wie öfter beim Autofahren hatte ich eine der unzähligen mir von meinem Vater hinterlassenen CD s in den Player geschoben. Yessongs. Manchmal fand ich seinen Achtundsechzigergeschmack gar nicht so übel. A seasoned witch could call you from the depths of your disgrace … Und wenn ich mir seine Musik anhörte, wurde er wieder lebendig, saß neben mir auf dem Beifahrersitz und sang mit. In her white lace, you could clearly see the lady sadly looking , sangen wir gemeinsam mit Jon Anderson. Plötzlich fiel mir ein, dass meine Eltern einander auf dieser Strecke kennengelernt hatten, durch einen unglaublichen, gefährlichen Zufall. Ich hatte mein Leben der Existenz der Pyhrn-Autobahn zu verdanken. Down at the end, round by the corner / Close to the edge, just by a river , sangen wir mit Jon Anderson. Seasons will pass you by. Wirklich nicht übel, Yessongs. Nun weinte ich. Ich wischte mir die Tränen mit dem Ärmel meines Pullis aus den Augen. Die Lenkerin des Wagens, der mich gerade überholte, hupte und schüttelte den Kopf. Ich war auf der Fahrbahn viel zu weit nach rechts geraten. Rasch korrigierte ich den Kurs. Ich blickte auf den Beifahrersitz. Mein Vater saß nicht mehr neben mir.
    Am Vortag hatte ich Fritz Hasiba telefonisch erreicht, er war meiner Bitte zugänglich, ja erfreut darüber gewesen, und wir vereinbarten, uns um drei Uhr im Café Erzherzog Johann in der Grazer Sackstraße wiederzusehen. Ich hatte überlegt, Stefan meine Absicht mitzuteilen, mehr über die Leiche im Fuchsweiher zu eruieren, es dann aber gelassen und denselben Vorwand wie bei meinem letzten Besuch gebraucht, um mein frühes Aufbrechen nach Wien zu rechtfertigen. Diesmal schien er mir die Ausrede nicht ganz abzunehmen. Mein Telefonat mit Doktor Absolon hatte ich ebenfalls nicht erwähnt. Wozu auch? Es war ein Auftrag, den ich für meine Großmutter zu erfüllen hatte. Abgesehen davon, dass mich die Sache selbst interessierte. Stefan brauchte nicht über jeden meiner Schritte Bescheid zu wissen. Und ich war mir sicher, dass es sich mit den Bewohnern des Sausal ähnlich verhielt wie mit denen der Insel Procida. Wir brauchen hier keine Schnüffler.
    »Ich freue mich so, dich zu sehen, Sissi! Du hast dich überhaupt nicht verändert«, sagte Fritz Hasiba treuherzig und strahlte mich an.
    Diese als Kompliment gemachte Behauptung überzeugte mich nicht, sicher war allerdings, dass er sich verändert hatte. Er saß mir seit einer Dreiviertelstunde im sogenannten Wintergarten gegenüber, dem überdachten, mehrere Stockwerke hohen Innenhof des barocken Palais, über dessen Balustraden sich üppige, mit roten und goldenen Weihnachtsgirlanden durchflochtene Grünpflanzen ergossen wie einst in den hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon. Auch dieses relativ noble Restaurant war bereits weihnachtlich geschmückt, allerdings wesentlich dezenter als der Kirchenwirt im Sausal. Über uns hing, beunruhigend wie

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