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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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wird auch das Geschlecht feststellbar sein. Und hoffentlich einiges Weitere. Fingerabdrücke können nicht mehr abgenommen werden, da sich die Waschhaut bereits vollkommen abgelöst hat und unbrauchbar ist. Aus der Beschaffenheit des Körpers kann geschlossen werden, dass er etwa zweieinhalb Jahre im Wasser gelegen ist. Der oder die Tote war bei Todeseintritt ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Wegen des sehr schlechten Zustandes der Leiche wird die Identifikation nicht einfach werden.«
    Die alte Frau Baumgartner konnte es also nicht sein.
    Wieder neigte sich Fritz Hasiba über den Tisch zu mir. Sein Atem roch nicht gut, und ich wich ein kleines Stück zurück. Er rückte nach, unerbittlich. »Aber wir haben zwei Besonderheiten entdeckt, Sissi«, verriet er wichtigtuerisch. »Ein Zahnimplantat aus Titan, der rechte mittlere Schneidezahn im Oberkiefer. Und einen schlecht ausgeheilten Drehbruch des linken Unterschenkels. Das Schienbein. Die Kriminalbeamten geben dieses Wissen den Medien allerdings noch nicht bekannt, sie ermitteln zunächst weiter, bis sie mehr in Erfahrung gebracht haben. Ich bitte dich also um absolute Verschwiegenheit.«
    Ich sah ihn an. Er bleckte das Gebiss. Der vierte kleine Braune hatte einen Teil der Biskottenmasse weggespült.
    »Entschuldige mich bitte einen Augenblick«, sagte ich und stand auf.
    »Aber gern, aber gern«, sagte der Dozent und lachte. Ein wenig angenehmes, unechtes Lachen. »Solange du zurückkommst und mir nicht wieder wegläufst …«
    Wie ich auf die Toilette gelangt bin, weiß ich nicht mehr genau, ich glaube, eine Kellnerin, die meinen verstörten Zustand bemerkte, begleitete mich hin. Ich betrat die Kabine gerade noch rechtzeitig, um mich nicht auf einem der schönen Teppiche des Palais, auf dem gepflegten Parkettboden oder den spiegelblanken Fliesen übergeben zu müssen. Nachher saß ich noch eine Weile auf dem Toilettensitz. Alle Kraft war aus mir gewichen, ich fühlte mich wie ausgesogen.
    Das Implantat, das man ihr nach einem Sturz über die Treppe in der Villa in der Sternwartestraße eingesetzt hatte, bei dem der Schneidezahn ausgebrochen war. Der rechte, mittlere, obere. Der Drehbruch des linken Schienbeins, verursacht durch einen Skiunfall in Zermatt. Wir hatten den Urlaub zu dritt verbracht. Eines dieser Merkmale konnte man unter Umständen noch als Zufall werten. Beide zusammen nicht.
    Die Tote war Regina.
    Sie lag nicht auf dem Grund des Tyrrhenischen Meeres, vor der Westküste der Apenninenhalbinsel, sondern war erschlagen, in einen dunklen Weiher mitten in einem österreichischen Wald geworfen, von seinen Bewohnern langsam gefressen worden und in seinem fauligen Schlamm verwest. Im Lande ihrer Herkunft. Nicht die Fremde war das Gefährliche, es war die Heimat.
    Ich ging nicht mehr zum Kaffeehaustisch im Wintergarten des Palais Erzherzog Johann zurück, an dem ich mit dem Herrn Dozenten Hasiba gesessen war, sondern verließ das Gebäude durch den Hoteleingang, irrte eine Zeitlang in den Grazer Straßen und Gassen umher, bis ich mein Auto gefunden hatte, und fuhr nach Wien weiter. Wie ich es schaffte, wohlbehalten dort anzukommen, ist mir ein Rätsel. Fest steht, dass ich gegen Abend wieder in meiner Wohnung in der Währinger Straße war. Ich stellte meine Tasche im Vorzimmer ab, ging ins Schlafzimmer und verkroch mich in meinem Bett.
    Was sollte ich tun? Dass ich der Großmutter meine Entdeckung mitteilte, war für den Augenblick ausgeschlossen. Sollte ich die Kriminalpolizei von dem, was ich wusste, in Kenntnis setzen? Es war nicht anzunehmen, dass es ihr gelang, in absehbarer Zeit eine Verbindung zu Regina herzustellen. Wenn überhaupt. Sie galt offiziell als ertrunken, die italienische Polizei hatte ein Dokument ausgestellt, das dies bestätigte. Niemand zog diese Tatsache in Zweifel. Falls ich den Beamten mein Wissen über das Implantat, den schlecht vernarbten Drehbruch und den Kupferanhänger, den ich bei mir hatte, weitergab, würde Stefan augenblicklich unter schwerem Verdacht stehen. Und ich weigerte mich zu glauben, dass er Regina ermordet hatte. Der Mann, der sich an diesem Wochenende im Bett derart zartfühlend und anschmiegsam verhalten hatte, konnte nicht derselbe sein, der seine Frau mit einem schweren Gegenstand erschlagen und den toten Körper, mit Gewichten beschwert, an der tiefsten Stelle eines dunklen Weihers versenkt hatte.
    Nein, es war nicht möglich. Und doch blieb ein Rest von Argwohn. Aber selbst wenn man das Undenkbare dachte

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