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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Vermittlungsgebühr an den Vorsteher des Marktes abtreten, wenn er Kundschaft gefunden hatte.
    Danach brachen wir auf.
    Hinüber zur Cannon Street, wo hinter einem der versteckten Sidings der eigentliche Abstieg begann. Emily Laing war sichtlich froh, das Irrlicht wieder an unserer Seite zu wissen. Irgendwie schien dies ein gutes Omen zu sein. Wie damals, vor einem Jahr, würden sich die Dinge vielleicht auch jetzt zum Guten wenden. Und wie damals, als wir nach Knightsbridge gingen, so ahnten wir auch dieses Mal nichts von den Dingen, die uns erwarteten.

Kapitel 6
Die Region
    Maurice Micklewhite und Aurora Fitzrovia erreichten Trafalgar Square mit dem Autobus.
    Die riesige Säule des Admiralsdenkmals, stehend auf einem mit Flachreliefs verkleideten Sockel und flankiert von vier sieben Meter langen Bronzelöwen, verschwand auch an diesem Morgen hinter einer Wolke aus flatternden Tauben und wabernden, undurchdringlichen Nebelschleiern.
    »Wen werden wir treffen?«, hatte Aurora wissen wollen.
    »Den Herrn der fliegenden Ratten, meine kleine Miss Fitzrovia«, hatte der Elf geantwortet.
    Ziehende, wesenlose Nebel hatten die vergangene Nacht überlebt. Ein bräunlicher Schleier lag über den Dächern, der aussah wie eine Widerspiegelung der schlammfarbenen Straßen. Dampfig-dunstige Luft vermischte sich mit den Abgasen der vielen Autos, und der dichte und fein sprühende Nebel ließ sogar die Säulen der Nationalgalerie konturenhaft und monströs erscheinen.
    Eiligen Schrittes überquerten Elf und Mädchen den großen Platz. Ein seltsames Gespann, doch wie so oft erregte Ungewöhnliches nicht unbedingt Aufsehen in London. Maurice Micklewhite trug seinen obligatorischen weißen Mantel mit Pelzkragen, dazu halbhohe Stiefel zu einer ebenso weißen Hose. Das blonde Haar stand lockig und ungestüm vom Kopf ab. Aurora Fitzrovia wirkte neben der hoch gewachsenen Erscheinung des Elfen fast unscheinbar in ihrer gefütterten Jeansjacke, den klobigen Boots, Strumpfhosen und einem knielangen Rock. Das pechschwarze Haar hatte das Mädchen unter einer Wollmütze versteckt.
    Eine Wolke von Tauben erhob sich vom regennassen Asphalt und umkreiste das Denkmal, um schließlich im Nebel zu verschwinden, sodass nur mehr das Flattern der vielen Flügel zu hören war.
    Vor den Bronzelöwen harrte ein Mann im trüben Nebel aus, der märchenhaft unwirklich dastand. Er war alt und dürr und in eine schäbige Admiralsuniform gekleidet, das faltige Gesicht mit den traurigen Augen und der breiten Nase in grellem Weißüberschminkt. Auf dem Kopf trug er eine breite Admiralsmütze, die uralt und echt aussah, wie Aurora fand.
    »Ein Straßenclown?«, flüsterte Aurora vorsichtig.
    Der Mann stand neben einem Drehorgelwagen, auf dem gurrend eine fleckige Taube hockte, und kurbelte routiniert eine dahingeklimperte Melodie herunter:
Spanish Lady
, ein Seemannslied aus vergangenen Tagen. Vor dem Wagen, der auf wackligen, dürren Rädern stand, lag eine schmale Zigarrenkiste auf dem Boden, in die bereits einige gutwillige Passanten Geldstücke geworfen hatten.
    »Meine liebe Miss Fitzrovia«, sagte Maurice Micklewhite, »darf ich Ihnen Lord Nelson vorstellen?« Sodann verbeugte er sich leicht vor dem alten Mann mit dem geschminkten Gesicht.
    Verdutzt starrte Aurora ihr Gegenüber an.
    Lord Nelson?
    Das Mädchen blickte zum Denkmal hinauf, wo die Skulptur des Helden der Schlacht von Trafalgar noch immer stand und zudem nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Mann aufwies, der ihr zum Gruß die behandschuhte Rechte reichte.
    »Lächeln Sie«, sagte Lord Nelson, dessen Stimme etwas gurrend klang, »denn das Leben ist zu ernst, um es ohne ein Lächeln ertragen zu können.« Flink zauberte er eine Rose aus dem Nichts und reichte sie dem Mädchen. Dann wandte er sich Maurice Micklewhite zu. »Wir haben uns lange nicht gesprochen, alter Elf. Du hast dich rar gemacht in den letzten Jahren.«
    »Ich hatte zu tun.«
    »Haben wir das nicht alle?«
    Er zwinkerte Aurora zu.
    Die zaghaft lächelte.
    »Ist Ihr Name wirklich Lord Nelson?«, wagte sie die Frage.
    »Horatio Haythornthwaite«, antwortete der Mann. »So lautet der Name, den mir meine Mutter gab. Ich finde, dass Lord Nelson verständlicher klingt.«
    »Hm.«
    Die Taube auf dem Drehorgelwagen musterte die Neuankömmlinge neugierig und wachsam, wobei sie den Kopf ruckartig und zuckend umherdrehte.
    »Wir kommen in einer Angelegenheit von höchster Dringlichkeit«, sagte Maurice Micklewhite, der keine Zeit

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