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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Gestalt zu verleihen. Alle entsannen wir uns der schuppigen Haut, die Myladys Körper dort überzogen hatte, wo ihr das Fell ausgefallen war. Keiner von uns konnte leugnen, was Anubis so klar und deutlich ausgesprochen hatte.
    »Wir werden Euch helfen«, versprach ich schließlich.
    Emily schwieg.
    Und Aurora tat es ihr gleich.
    »Ihr werdet in Erfahrung bringen, wo sich die Lichtlady aufhält?«
    »Wir werden es versuchen«, versprach auch der Elf.
    »Und Sie, kleine Trickster?«, richtete der Lordkanzler seine Worte an Emily. »Werden Sie uns auch helfen?«
    Vieles schoss dem Mädchen in diesem Augenblick durch den Kopf. Was war richtig und was falsch? Sie ließ den Blick durch den Raum wandern, zu Aurora, mir und Maurice Micklewhite. Sie dachte an Mylady Hampstead, die oben im Büro des Elfen in einer Kiste schlief und langsam zu dem wurde, was vor wenigen Tagen ihr eigenes Verderben gewesen war. Emily sah das weiß geschminkte Gesicht der ehemaligen Madame Snowhitepink vor sich, die harten, biestigen Gesichtszüge, vor denen sich alle Waisenkinder gefürchtet hatten.
    Anubis wartete auf ihre Antwort.
    Ich spreche zu einem Gott, dachte sie benommen.
    Und tat es.
    »Was bleibt mir anderes übrig«, sagte sie und hoffte, dass niemand das Zittern in ihrer Stimme bemerkte. Die Anwesenden nickten zustimmend. Aurora griff nach ihrer Freundin Hand und drückte sie ganz fest.
    Anubis verzog die Lefzen zu einem zufriedenen Lächeln.
    Genau das hatte er hören wollen.
    Deshalb war er ins Museum gekommen.
    Er hatte uns für sein Vorhaben gewinnen können.
    Leise, kaum hörbar, flüsterte Emily erneut den Satz, der die Hilflosigkeit, die sie verspürte, mehr als alles andere ausdrückte: »Was bleibt mir schon anderes übrig?« Dies war ihre Welt geworden, und Zufälle, das befürchtete sie, gab es nur wenige. Sie würde nach vorne blicken.
    Und das tun, womit sie niemals gerechnet hätte.
    Sie würde versuchen, die Lichtlady zu befreien.

Kapitel 11
Der alte Raritätenladen
    »Wie geht es dir?« Aufrichtige Besorgnis lag in der Stimme des Jungen.
    Emily legte die Jacke ab und schüttelte die Regentropfen aus dem Stoff. »Hm, geht so.« Sie hängte die blaue Jacke mit dem Pelzkragen, die ihr mittlerweile fast schon zu klein war, über den Stuhl, der neben der Kasse stand. »Nein, das stimmt nicht. Eigentlich geht es mir gar nicht gut«, relativierte sie ihre Aussage, um sie sogleich erneut zu spezifizieren: »Ich fühle mich so richtig mies.« Sie ließ sich in einen der Sessel in ihrer Leseecke fallen.
    Richtig mies fühlte sie sich.
    Besser war ihr Zustand wohl kaum zu umschreiben.
    Neil legte das Buch beiseite, in dem er vor Emilys Ankunft im Raritätenladen gelesen hatte. »Was ist passiert?«
    Eine einfache Frage, dachte Emily bedrückt, und doch so schwer zu beantworten.
    »Ich hatte gestern Abend eine Verabredung mit Anubis, dem ägyptischen Totengott«, sagte sie. »Wittgenstein und die anderen waren auch dabei.«
    Neil starrte sie aus neugierigen, blauen Augen an.
    Etwas verwirrt fuhr er sich mit der Hand durch das zerzauste Haar.
    Dann grinste er.
    Emily hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Was erwartete sie auch, wenn sie dem Jungen eine solche Antwort auf seine Frage nach ihrem Befinden gab? Natürlich grinste er. Kein normaler Mensch dächte auch nur im Traum daran, dass sie die Wahrheit sprechen könnte.
    »Anubis?«, hakte Neil nach.
    Emily nickte. »Wir trafen ihn im Britischen Museum.«
    Neil erwiderte nichts darauf.
    Entweder er hielt dies für eine Spielart von Emilys Humor, oder …
    »Ist er nicht Lordkanzler von Kensington?«, erkundigte sich der Junge.
    Was Emily überraschte.
    »Du kennst ihn?«
    »Persönlich?«
    Sie zog ein Gesicht.
    Neil sagte: »Nein, natürlich nicht. Aber ich habe von ihm gehört. Der alte Edward hat mir von den Handelsgilden berichtet. Kensington hat die Wege hinunter zum Fluss mit hohen Zöllen belegt und die Gildevertreter damit gegen sich aufgebracht.«
    »So?«
    »Ja.«
    Die Gildevertreter interessierten Emily derzeit nicht im Geringsten.
    »Du siehst aus, als suchtest du ein Buch.« Neil hatte den unruhigen Blick des Mädchens bemerkt. Rastlos suchte Emily die Regalreihen nach etwas ab, das sie anscheinend unbedingt zu finden hoffte.
    Wie Recht er doch hatte.
    Die ganze Nacht über hatte sie nicht schlafen können, weil sie an die Worte des ägyptischen Totengottes hatte denken müssen. Sie hatte sich das Gesicht jener Frau ins Gedächtnis gerufen, die jedes Waisenkind in

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