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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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war, um die Akten auszuspionieren, weil sie endlich etwas über ihre Herkunft hatte erfahren wollen. Ihr Ziel hatte sie nicht erreicht, dafür war sie über eine Anzahl säuberlichst geführter Aktenordner gestolpert. Auf einem hatte ein Schriftzug geprangt: Wilhelmina White. Unter diesem Namen war Madame Snowhitepink wohl in London bekannt gewesen. Ein Name, der nicht außergewöhnlich war.
    Doch hatte es einst eine andere Madame Snowhitepink gegeben.
    Eine, die Jahrtausende lang auf den Namen Lilith gehört und ihr Herz dem Lichtlord geschenkt hatte.
    »Du könntest mir erzählen, was los ist«, schlug Neil vor.
    Emily zierte sich ein wenig.
    Sollte sie ihn einweihen?
    »Emily, ich kenne dich«, sagte er. »Nicht besonders gut, aber immerhin.«
    »Immerhin?«
    »Immerhin gut genug, um zu sehen, dass dich etwas bedrückt. Manchmal kommst du in den Laden, weil du dich hier wohl fühlst. Dann vergräbst du die Nase in Büchern, und wir können die ganze Zeit über alles Mögliche reden, Tee trinken und die Stunden vergehen lassen. An anderen Tagen bist du … rastlos. Dein Blick schweift hierhin und dorthin.«
    »Und du glaubst, dass heute so ein Tag ist.«
    »Ja, ist es.«
    »Hm.«
    »Du hast gestern Abend Anubis getroffen. Das sagt doch alles, oder?«
    Womit er nicht ganz Unrecht hatte.
    »Du könntest mir wirklich erzählen, was los ist«, meinte Neil erneut und fügte süffisant hinzu: »Ich werde es auch nicht weitersagen.«
    Wieder zog Emily ein Gesicht.
    Und gab sich geschlagen.
    »Also gut«, grummelte sie unschlüssig.
    Dann erzählte sie ihm alles.
    Little Neil Trent, der die uralte Metropole kannte, staunte dennoch nicht schlecht bei dem, was ihm da aufgetischt wurde. Emily berichtete von dem Abstieg in die Region, von Mièville und dem Müllmarkt, vom Angriff der Hymenopteras und ihrer eigenen Rettung durch Dorian Steerforth.
    »Steerforth, sagst du?«
    Emily nickte.
    »Kommt mir irgendwie bekannt vor.« Neil klang nachdenklich.
    »Tja.«
    Sie erzählte vom Golem und den Rattlingen und den Dingen, die der Lordkanzler von Kensington ihnen allen offenbart hatte. Vom Ophar Nyx, dem Lichtlord und dem Gleichgewicht Londons, das immer empfindlicher gestört wurde. Von der an einem unbekannten Ort festgehaltenen Lichtlady, die der Schlüssel zu Lycidas’ Befreiung sei, und die zu finden nun ihre Aufgabe war.
    Es verwunderte Emily immer wieder aufs Neue, wie normal all diese Dinge bereits für sie geworden waren.
    »Ich will etwas über sie in Erfahrung bringen«, gestand Emily.
    »Über Madame Snowhitepink?«
    »Ja, oder Lilith, wie man sie früher genannt hat. Ich glaube, dass dies ihr richtiger Name ist.« Jetzt hatte sie dem Jungen alles offenbart. »Glaubst du, dass wir hier einige Bücher finden, in denen wir fündig werden?«
    Neil überlegte kurz.
    »Ich könnte den alten Edward fragen«, schlug er vor. »Hast du es nicht vorher schon in der Nationalbibliothek versucht? Ein Buch über Lilith zu finden, meine ich. Die haben doch bestimmt einige alte Schmöker unter der Kuppel.«
    Diese Möglichkeit hatte Emily natürlich auch in Betracht gezogen, jedoch schnell verworfen. Am Mittag hatte ich sie vor der Schule erwartet, um die Lage mit ihr zu erörtern.
    »Wir haben einiges zu besprechen«, hatte ich ihr gesagt.
    Und mir ein trotziges »Nein, müssen wir nicht!« eingefangen.
    Aurora Fitzrovia hatte schweigend nebendran gestanden.
    »Es ist wichtig!«
    »Ist mir egal«, hatte Emily mir erklärt. »Ich brauche meine Ruhe!« Und mit dem Versprechen, sich am Abend bei mir zu melden, war sie einfach ihres Weges gegangen und hatte Miss Fitzrovia und mich ratlos im Regen stehen gelassen. Entschlossenen Schrittes hatte sie die nächste U-Bahn-Station angestrebt und war schon bald unseren Blicken entschwunden gewesen.
    »Es geht ihr nicht gut«, hatte Aurora zu erklären versucht.
    »Ach?«
    »Sie hat einfach nur miese Laune.«
    Dieses Kind!
    »Ich wollte einfach weg«, gestand Emily dem Jungen im Raritätenladen. »Weg von Wittgenstein und Micklewhite und, ja, auch weg von Aurora. Ich wollte allein sein mit den Büchern.« Sie sah ihn offen an. »Ich wollte einfach nur herkommen und eine Weile genau hier in diesem Sessel sitzen. Das ist alles.«
    Neil machte nur: »Hm.«
    Das war alles.
    Emily mochte den Raritätenladen. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschäften verirrten sich nicht sonderlich viele Kunden hierher, was einerseits das Gefühl entstehen ließ, dass man sich in einer privaten Bibliothek und nicht

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