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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wegzerrten«, erinnerte sich Emily, »da hatte sie Tränen in den Augen.« Kurzzeitig hatte die Lichtlady verletzlich und hilflos gewirkt.
    Doch hatte sie nicht schon viele Schicksalsschläge im Laufe ihres Daseins ertragen müssen?
    »Lilith war, glaubt man der hebräischen Mythologie, die allererste Frau.«
    So begann Emily.
    Und dies ist die Geschichte, die sie erzählte.
    Einst existierte ein lebendiger Geist, ein frostiger Verstand, der in seinem unruhigen Schlaf davon träumte, seiner Existenz einen Sinn zu geben. Der rastlose Träumer träumte seinen Traum von der Welt und den Menschen, die ihrerseits später den Träumer träumen würden. Inmitten all dieser Gedanken, die den Schlamm des Universums aufwühlten, entstand das Leben, wild und rasend, und es formte sich eine Welt, die Pflanzen und Lebewesen gebar. Der Träumer erwachte am Abend des fünften Tages und erblickte die Schöpfung. All die leuchtenden Strukturen und sich ständig verändernden Muster entfachten einen Sturm aus Farben und Formen, und dem Träumer gefiel, was er erblickte.
    »Doch etwas«, merkte Emily an, »fehlte.«
    Denn er sah, dass die Welt ohne Menschen unvollkommen war, und so schuf er einen Mann. Adam, so hieß der Mann, sollte jedes Tier und jeden Vogel und jedes lebendige Wesen benennen, und weil alles Lebendige dem Menschen seinen Namen verdankt, ist es dem Menschen untertan. Doch fühlte Adam sich einsam und so bat er den Träumer um Gesellschaft.
    Und Gott erschuf die Frau.
    »Doch diese Frau war nicht Eva«, erklärte Emily, »sondern …«
    »Lilith.«
    »Du sagst es.«
    Lilith wurde aus Staub erschaffen wie der Mann und war diesem ebenbürtig. Doch hatte Lilith einen eigenen Willen.
    »Sie war intelligent«, sagte Emily. »Und sie widersprach Adam, wenn sie anderer Meinung war.«
    Und Aurora schlussfolgerte: »Was dem Mann nicht gefiel.«
    »Genau.«
    Die beiden stritten miteinander. Adam verlangte von ihr, dass sie sich unterordnen solle, und Lilith widersetzte sich trotzig seinem Befehl. Schließlich verließ sie das Paradies, wie die Gegend hieß, in der die beiden gelebt hatten, und ging fest entschlossen in die Welt hinaus. Außer sich vor Zorn tobte Adam und weckte den Träumer, der sich eingestehen musste, dass die Schöpfung ohne ihn tätig gewesen war und Adam Missgunst befallen hatte.
    Daraufhin träumte der Träumer eine Kaste von Wesen, die ihm auf ewig zu Diensten verpflichtet wären, und er nannte diese erhabenen Geschöpfe Engel. Die Engel sollten zukünftig über die Welt und die Lebewesen wachen, wenn der Träumer träumte. Den ersten Auftrag erhielten die Engel Senoy, Sansenoy und Semangelof, die vom Träumer ausgesandt wurden, um Lilith zurückzubringen.
    »Hatten die drei Glück?«
    »Schwer zu sagen«, meinte Emily.
    Sie fanden Lilith. Am Ufer des Roten Meeres hatte sie sich niedergelassen. Zurückkehren zu Adam solle sie, trugen die Engel ihr auf. Doch Lilith zeigte den Boten, dass Leben in ihr wuchs. Entsetzt verstanden die Engel. Denn Lilith hatte den Dämonen, die das Rote Meer bevölkerten, eine verderbte Nachkommenschaft geboren. Sie war zur Mutter unzähliger Kinder geworden und gebar den Dämonen, die Legion waren, immer neue. Es schmerzte die Engel, ihrem Schöpfer die Botschaft zu bringen, dass Liliths Kinder, Lilim genannt, die Erde heimsuchten.
    »Was hat der Träumer getan?«, wollte Aurora wissen.
    »Er hat es erst einmal Adam gesagt.«
    »Und wie hat der reagiert?«
    »Wie jeder Mann, dessen Frau das Weite sucht.«
    Adam zeterte und weinte und streute sich heiße Asche aufs Haupt. Er fluchte und schimpfte und verlangte nach einem neuen Weib. Den letzten Aspekt betreffend hatte der Träumer ein Einsehen und so formte er, als Adam endlich erschöpft in tiefen Schlaf fiel, aus dessen Rippe eine zweite Frau. Am nächsten Morgen sah Adam die Frau und nannte sie Eva. Und weil er ihr einen Namen gegeben hatte, konnte er über sie verfügen. Er hatte Macht über sie, und Eva war Adam untertan.
    »War er da endlich zufrieden?«
    »War er!«
    Lilith hörte in der Ferne von der neuen Frau und spottete über deren Einfalt. Jeden Wunsch, so trug man ihr zu, las sie dem Mann von den Augen ab. Sie befolgte jede Anweisung, die Adam ihr gab. Nur Verachtung hatte Lilith für die neue Frau übrig. Später dann, als Eva eine Frucht vom Lebensbaum gekostet hatte – und nebenbei bemerkt ihren Mann dazu angestiftet hatte, ihr zu folgen –, verließ Lilith die Region des Roten Meeres und zog weiter nach

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