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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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selbst verstand es ebenso wenig.
    »Warum hätte Lord Uriel Ihnen wohl helfen sollen, unseren Bruder dingfest zu machen?«
    »Ich habe ihn darum gebeten.«
    »Seit Jahrtausenden hat er Lycidas geduldet.«
    Rahel hatte Recht. Warum hätte er ausgerechnet dem Wunsch eines Mädchens entsprechen sollen?
    »Hat Lord Uriel vom Nyx gewusst?«, fragte ich.
    »Natürlich.«
    »Er wusste von der Gefahr, die der uralten Metropole drohte, sollte Lycidas’ Macht schwinden?«
    »Was glaubt denn Ihr?«
    »Und trotzdem hat er ihn im Licht der Kathedrale eingeschlossen?«
    Rahel machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er wollte das Glasauge des Mädchens besitzen.«
    »Aber warum denn nur?«
    »Weil ihn das Glasauge wieder sehend gemacht hat«, antwortete Rahel. »Er konnte mit seiner Hilfe so viele Dinge sehen. So viele Dinge fühlen. Dinge, kleines Mädchen, die Sie einst gesehen und gespürt haben. Für Uriel war es, als tauche er in ein neues Leben ein, das ihm eine fremde Welt eröffnete. Das Glasauge war weitaus mehr wert als all der Plunder, den ihm die anderen Engel zum Geschenk gemacht hatten. Zudem war das Glasauge freiwillig hergegeben worden. Die meisten anderen Gegenstände waren den ursprünglichen Besitzern auf nicht ganz so elegante Art und Weise entrissen worden. Die Magie des Glasauges war erhalten geblieben. Das, und nur das war es, wonach es Lord Uriel gelüstete. War der Preis dafür das Ende des Lichtlords, so sollte es geschehen. Was scherten ihn der Nyx und das Schicksal Londons? Es galt, ein neues Leben zu bekommen.«
    »Warum tut er das?«
    »Er ist süchtig«, antwortete Rahel. »Süchtig danach, das Leben anderer zu schmecken. Ein Junkie, wenn ihr so wollt. Andere Dinge werden unwichtig, wenn er nur seine Leben bekommt.«
    Emily verstand nicht ganz.
    Immerhin waren die Lichtengel doch Geschöpfe des Träumers.
    »Er ist den Menschen entfremdet«, antwortete Uriel. »Zu lange ist er nicht mehr unter ihnen gewandelt. Uriel hat sich im Himmel verschanzt und kommt seit Jahrtausenden schon nicht mehr hervor. Der lichtdurchflutete Himmel am Oxford Circus ist alles, was ihm geblieben ist, seine ganze Welt. So trachtet er nach Schnappschüssen aus fremden Leben.«
    »Das ist nicht fair«, entrüstete sich Emily.
    »Und doch ist es so geschehen, nicht wahr?«
    Rahel wirkte mit einem Mal sehr müde.
    Selbst das rot glänzende Haar schimmerte nur mehr matt.
    »So bediente sich Uriel der Fessel, mit der er Lycidas und Lilith zu binden gedachte. Lycidas verbannte er wie schon gesagt in die Kathedrale. Erlöst werden kann er nur von demjenigen, der ihn liebt und der dazu bereit ist, an seiner statt dort oben in St. Paul’s eingekerkert zu werden. Die einzige Person, die er dazu fähig glaubte, versetzte er in einen tiefen Schlaf. Lilith befindet sich im Tower von London und kann nur von jemandem erweckt werden, der sie liebt.«
    Wie in den alten Märchen, dachte Emily und fragte sich, ob die Schreiber vielleicht einmal einem Engel begegnet waren, der sie auf die Ideen gebracht hatte, die dann Millionen Kinder verzauberten.
    Schneewittchen.
    Snow…witch.
    Snowhite

pink
.
    Wie seltsam, dachte sich das Mädchen, das wie ich selbst nur selten an Zufälle glaubte.
    »Seine Lordschaft hat eine Pattsituation geschaffen«, brachte ich es auf den Punkt.
    Lycidas liebte Lilith.
    Nur Lilith würde Lycidas befreien können.
    Nur Lycidas wäre dazu in der Lage, Lilith zu erlösen.
    »Uriel hat die Schlange geschaffen, die sich selbst in den Schwanz beißt«, entfuhr es Emily.
    »Doch eines«, merkte der Engel an, »hat er nicht bedacht.«
    »Dass noch jemand Lady Lilith lieben könnte.«
    »Ihr sagt es, Master Wittgenstein.« Traurig lächelte der Engel, und für einen kurzen Augenblick loderten erneut die Flammen in seinen Augen auf. »Ich bin der Joker in diesem Spiel.«
    Seine Stimme, die wieder zu einer ruhigen, feinen Melodie geworden war, trug uns hinfort, ließ uns fremde Länder überqueren und die Zeit vergessen. Drei Engel standen am Ufer eines roten Meeres, dessen Wellen sanft den hellen Sand kräuselten, und sprachen zu einer Frau, die lasziv und fordernd barfuß vor einer Höhle stand und sich weigerte, den Anordnungen der himmlischen Schar Folge zu leisten.
    »Damals trug ich nicht den Namen, den ich heute trage«, sagte Rahel.
    Senoy
.
    So hatte man ihn genannt.
    »Das war des Träumers Name für mich gewesen.«
    Die Frau Adams sollten sie aufsuchen, seine beiden Brüder Sansenoy und Semangelof und er. Der

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