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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Engel normalerweise nicht.«
    Worauf wollte er hinaus?
    »Wenn jemand zu derartigen Gefühlen fähig ist«, fuhr er fort, »dann sollte man sie ihm nicht verweigern.«
    Immer noch fragte ich mich, was dieser verliebte Engel beabsichtigte.
    Emily hingegen sah Rahel mit verträumten Augen an.
    Sie wirkte unkonzentriert.
    Peggotty hatte mich vorgewarnt: »Die Hormone spielen verrückt bei den jungen verliebten Dingern.«
    Ich wollte nicht einmal wissen, wo ihre Gedanken hinwanderten.
    »Jetzt, da ich von diesem Gefühl gekostet habe«, gestand der Engel, »ist es mir unmöglich, so weiterzuleben wie bisher, doch Judi Piper ist in die hohen Sphären aufgestiegen, die Lichtengel nicht betreten dürfen. Die Todesengel verabscheuen uns Urieliten. Keinem aus unserer Schar ist der Zutritt zu ihrem Reich gestattet.«
    Nur den Toten, dachte ich, werden sich die Pforten öffnen.
    Was sogleich von Rahel bestätigt wurde.
    »Niemals wieder werde ich für sie singen dürfen«, klagte er.
    Er seufzte.
    »Ich bin des Lebens so überdrüssig«, sagte er, und das Feuer in seinen Augen war nur mehr ein mattes Glimmen.
    Betreten schauten wir uns alle an.
    »Wie können wir Euch zu Diensten sein?«, fragte ich ihn.
    Er machte eine ruckartige, seltsame Kopfbewegung, die sehr an einen Vogel erinnerte. »Ihr könnt mir helfen zu sterben«, sagte er unverblümt, und auf einmal war da wieder die Melodie, die zwischenzeitlich verschwunden gewesen war.
    Hatte er vorhin nicht behauptet, Engel könnten nicht sterben?
    Emily blinzelte.
    »Die Regeln, denen wir Engel unterworfen sind«, sagte Rahel nur, »sind … kompliziert.«
    Nun denn!
    »Das heißt?«
    »Es ist uns verboten, menschliche Wesen zu küssen.«
    Emily warf mir einen ratlosen Blick zu.
    Den ich ebenso ratlos erwiderte.
    »Ihr wirkt verwirrt«, stellte Rahel fest.
    »Versetzt Euch in unsere Lage«, schlug ich vor.
    »Nur der Träumer haucht den menschlichen Wesen Leben ein, indem er sie mit einem Kuss bedenkt. Uns Engeln aber ist dies untersagt. Wir würden uns auf die gleiche Ebene wie der Schöpfer stellen.«
    Das ergab Sinn.
    »Allein den Todesengeln ist es erlaubt, ihre kalten Küsse zu verteilen.«
    Emily fragte sich erneut, warum ein Lichtengel im Virgin Store arbeitete.
    Rahel sah das Mädchen durchdringend an.
    »Was passiert«, fragte Emily rasch, »wenn Ihr einen Menschen küsst?«
    Wieder das vogelartige Kopfnicken. »Wir sterben, Miss Emily Laing aus Rotherhithe.«
    »Also könnt Ihr doch sterben.«
    »Ja, Master Wittgenstein, weil wir dann unsere Unschuld verlieren. Doch ist unser Tod nicht so, wie Ihr ihn Euch vorstellt.«
    »Und Euer Bruder?«, fiel es Emily zu fragen ein.
    »Was ist mit ihm?«
    »Hat Lycidas seine Gefährtin etwa nicht geküsst?«
    »Doch, hat er.«
    »Aber er ist nicht daran gestorben.«
    »Das war etwas anderes«, antwortete Rahel.
    Engel, dachte Emily, konnten manchmal sehr anstrengend sein.
    Und vage dazu.
    »Lycidas küsste Lilith, nachdem man ihn aus dem Himmel vertrieben hatte.«
    Nun denn.
    Eine Frage weniger.
    »Aber wenn Ihr die Lichtlady küsstet …«
    »… dann wird es um mich geschehen sein. Ich gehöre zum Orden der Urieliten.«
    Emily fragte sich, wo das Problem lag.
    Sollte er doch einen beliebigen Menschen küssen, und schon würde sich sein Wunsch erfüllen. Wieso tat er es nicht einfach?
    »Eure Frage, Miss Emily, ist durchaus berechtigt.«
    Erschrocken stellte Emily fest, dass er Gedanken lesen konnte.
    »Habt Ihr etwas anderes erwartet?«
    Das Mädchen schwieg.
    Ich ebenso.
    »Ich bin ein Lichtengel.«
    Das sollte als Erklärung ausreichen.
    »Ich muss Mylady Lilith küssen«, sagte er und wartete unsere Reaktion ab. Nach einem kurzen Zögern bemerkte er: »Ihr glaubt, Master Wittgenstein, dass auch ich in die Lichtlady verliebt bin?«
    »Entschuldigt!«
    Dass Engel Gedankenleser waren, erschien mir reichlich lästig.
    Nun denn.
    »Es ist mein Bruder, der Lilith liebt. Der sie seit Anbeginn der Zeit liebt. Ja, Ihr habt mich richtig verstanden. Lucifer und Lilith sind Gefährten von alters her. Doch hat Lord Uriel unseren Bruder mit einem Fluch belegt und ebenso seine geliebte Lichtlady. Hier sind wir an dem Punkt angelangt, wo die Dinge kompliziert zu werden beginnen.«
    »Ihr wollt Lycidas und Lilith wieder vereinen?«, fragte Emily.
    »Ah, noch immer benutzen Sie den Namen, den sich mein Bruder gegeben hat?«
    »Ich habe mich daran gewöhnt«, antwortete Emily.
    »So lauscht meinen Worten und hört von dem Fluch.«
    Rahel

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