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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Mylady Hampstead waren gut miteinander bekannt gewesen.
    »Entsteigen diese Rattlinge dem Abgrund?«, hatte Miss Monflathers gefragt.
    »Wir vermuten es.«
    »Wahrlich seltsame Zeiten sind dies, Mortimer.«
    Maurice Micklewhite warf ein: »Und alles hängt irgendwie zusammen.«
    Rahel, der dem Gespräch teilnahmslos folgte und seinen Kaffee schlürfte, sagte nur: »Schon immer ist es so gewesen.«
    »Es gibt keine Zufälle«, brachte ich es auf den Punkt.
    Wir beendeten die kurze Rast.
    Und stiegen hinab.
    In die uralte Metropole.
    Eine rostige Tür in einer der öffentlichen Toiletten führte uns in den Schutztunnel unter der Goodge Street. Neonstrahler an der Decke erhellten den Tunnel. Dinsdale, der auf einer Glühbirne in der Toilette auf uns gewartet hatte, schwebte ruhig vor uns her. Erleichtert bemerkte das Irrlicht, dass seine Leuchtkraft hier noch nicht vonnöten war. Die Deckenstrahler reichten aus, um den Weg, der vor uns lag, zu erhellen. Zu beiden Seiten des Tunnels befanden sich hohe Regale, die mit Kisten und Kartons voll gestopft waren. Heute dienen diese Räume der Lagerung von Film- und Videobändern und anderen Dokumenten. Die London Underground Railway Society vermietet die Schutztunnel oftmals an Firmen aus dem Stadtgebiet, doch niemand kommt mehr hierher, um nach den ausgelagerten Unterlagen und Dokumenten zu sehen. Sie liegen da, verpackt in staubbedeckten Kisten, und harren dem endgültigen Zerfall. Vergessenheit liegt wie ein schaler Beigeschmack in der Luft.
    »Ich habe einige Nachforschungen angestellt«, sagte Miss Monflathers, »als ich von euren Problemen erfuhr.«
    Dinsdale erkundete die Strecke vor uns.
    Bis zum Verrätertor kannte er den Weg. Von dort an würde Miss Monflathers die Führung übernehmen.
    »Nachforschungen?«, fragte Maurice Micklewhite.
    »Bezüglich der Angelegenheit mit den Kindern«, antwortete sie. »Mortimer berichtete mir von all den Kindern mit den Spiegelscherbenaugen. Die Hölle, das wusste ich schon immer, ist wahrlich ein seltsamer Ort. Und das Schicksal jener Kinder ist weniger einzigartig, als ihr es wohl vermutet habt.«
    Sie machte uns alle neugierig.
    Selbst Rahel musterte meine einstige Lehrerin mit neuer Aufmerksamkeit.
    »Es gab noch weitere Fälle als jene, von denen ihr mich in Kenntnis gesetzt habt.«
    Gespannt lauschten wir ihren Worten.
    »Ich bin der Überzeugung, dass all diese unheimlichen Kindesentführungen, mögen wir sie denn so nennen, die gleiche Ursache haben.«
    Ich fragte: »Von welchen anderen Entführungen sprechen Sie?«
    Der Tunnel fiel nun steiler ab. Manchmal mussten wir schmale Treppen hinabsteigen.
    Warme, abgestandene Luft schlug uns von unten entgegen.
    »Einst gab es ein Dorf«, begann sie zu erzählen, »zumindest berichten einige der alten Schriften davon, dass es einmal existiert hat. Es war ein armes Dorf, gelegen in der Oase von el-Bahariya in der Libyschen Wüste. Es begab sich, dass dieses Dorf von einer Plage heimgesucht wurde, von der niemand wusste, weshalb sie gerade dieses kleine Dorf befiel. Skorpione krochen aus dem Wüstensand. Man traf sie überall an. In den Zelten, unter den Hufen der Kamele, selbst in den Wasserschläuchen fand man Skorpione. Sie wuselten in den Vorräten herum, fielen von den Bäumen und sonnten sich an den Wasserstellen. Die Menschen töteten die Skorpione, doch kamen immer mehr nach. Sie töteten die Schafe und die Kamele, stachen Männer und Frauen gleichermaßen. Bedrohten die Kinder an ihren Schlafstätten.«
    Wir kamen an einem Lüftungsschacht vorbei, aus dem frische Tagesluft in den Tunnel strömte, die selbst nach den zweihundert Metern, die sie in einem Kunststoffrohr zurückgelegt hatte auf ihrem Weg nach unten, noch immer nach kaltem Regen roch.
    »Dann kam eines Tages ein Reisender in das Dorf«, fuhr Miss Monflathers zu erzählen fort. »Es war ein Fremder ohne Namen, der die Wüste zu Fuß durchquert hatte. Ein Beduine mit einem hölzernen Stab, an dessen oberem Ende ein kleiner, durchsichtiger Stein befestigt war. Dieser Fremde ohne Namen, der angeblich sehr hübsch gewesen ist, bot den Dorfbewohnern an, sie von der Plage zu befreien. Zwei Kamele wolle er als Belohnung und dazu Reichtümer, so viel eines dieser Kamele tragen könnte. Die verzweifelten Dorfbewohner willigten in das Geschäft ein. Der Fremde ohne Namen ging los und fand eine Mulde im Wüstensand am Rande der Oase. Diese Mulde bestreute er mit einem Pulver aus groben Körnern, das den Sand schwarz und

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