Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas
Wölfe und anderes Gesindel. Gerade hier oben drohte Gefahr, wo sie für alle Späher des Gegners gut sichtbar durch die Straßen wanderte.
Es gibt keine Zufälle
, wisperten die Stimmen in ihrem Verstand.
Was geschehen soll, wird geschehen.
Sie folgten Lucia del Fuego die lärmende Fleet Street entlang bis hin zur noch lauteren New Bridge Street, der sie dann in Richtung Themse folgten.
»In Blackfriars gibt es ein Portal«, hatte Lucia del Fuego den Mädchen während des ausgiebigen Frühstücks in dem alten Pub erläutert. »Von dort aus steigen wir in die uralte Metropole hinab.« Mit einem Grinsen hatte sie hinzugefügt: »Wir könnten natürlich ebenso gut die District Line bis zum Tower Hill nehmen, doch sollten wir unser Kommen, so denke ich, nicht unbedingt Fahnen schwenkend ankündigen.«
Die Mädchen stimmten dem zu.
Blackfriars also.
Je näher sie dem Bahnhof kamen, desto stärker wurde der salzige und faulige Geruch des Flusses, der sich wie so oft auch an jenem Morgen unter einem Teppich aus feinem Nebel verbarg. Die Züge der Thameslink rasten über die Brücke und verpesteten die winterliche Luft mit ihren Abgasen, die in schmutzigen Wölkchen langsam von den Gleisen nach unten in die Straßenschluchten krochen. Schwarze und grüne Müllsäcke lagen überall umher, einige aufgeplatzt, sodass sich stinkender Unrat über den Gehweg ergoss. Stadtstreicher hockten in den Ecken, stocherten sich mit krummen Fischgräten in den gelben Zähnen herum und beäugten die Passanten voller Argwohn und Heimtücke.
»Restefresser«, beschimpfte Lucia del Fuego die Stadtstreicher und bedachte sie mit einem drohenden Blick.
Emily und Aurora jedenfalls schätzten sich glücklich, diese Gegend in Begleitung einer Jägerin zu passieren.
Hier und da lugte der Kopf einer Ratte aus einer der Mülltüten heraus, um höchst geschwind wieder im Müll zu verschwinden.
»Nette Gegend«, murmelte Aurora.
»Du sagst es.«
Lucia del Fuego vergewisserte sich gestrengen Blickes, dass die beiden Mädchen nicht hinter ihr zurückfielen.
»Dort vorne ist es«, sagte sie.
Der Blackfriars-Bahnhof erhob sich aus dem morgendlichen Nebel, mit seinen stählernen Treppen und grauen, von den Abgasen der Züge undurchsichtigen, großen Fenstern, den überquellenden Mülleimern und mürrisch dem Eingang zuhetzenden Pendlern. Alles an diesem Bahnhof wirkte kalt, unnahbar und bedrohlich.
Lucia del Fuego führte die Kinder zu einer stählernen Tür, von der der einstmals rote Lack in großen Stücken abblätterte. Die Tür befand sich neben einem der Kartenhäuschen, von dem aus ein missmutiger Bediensteter der Londoner Verkehrsbetriebe mit seiner ausladenden Mimik die Kundschaft vergraulte. Nichtsdestotrotz warf er der kleinen Gruppe einige neugierige Blicke zu. Ein grellgelber Blitz zierte die Tür, und Emily nahm an, dass der Raum hinter der Tür mit Elektronik voll gestopft war.
Lucia del Fuegos behandschuhte Hand klopfte gegen die Tür.
Mit einem rostigen Knirschen wurde sie augenblicklich geöffnet.
Ein alter Mann mit verfilztem Haar und schwarzen Zähnen stierte ihnen entgegen. Der schmuddelige Gehrock, in dem die hagere Gestalt steckte, mochte aus dem vorigen Jahrhundert stammen.
»Sicher’n un’ fest’n Schritt wünsch ich da Läddie un’’n Kinna’n«, murmelte er.
Unverzagt traten die drei ein.
Als die eiserne Tür schwer hinter ihnen ins Schloss fiel, wurde sich Emily unversehens des strengen Geruchs nach abgestandener Luft und altem Schweiß und Urin bewusst.
Sie waren wieder in der uralten Metropole.
»Nirgendwo werden Sie mehr Abschaum vorfinden als an diesem Ort«, hatte Lucia del Fuego sie bereits vorgewarnt.
Dem konnten Emily und Aurora, als sie das Tunnelsystem unterhalb des Blackfriars Bahnhofs durchquerten, nur zustimmen.
Wie King’s Moan, so war auch dieser Tunnel zu beiden Seiten von Geschäften gesäumt. Doch waren dies hier keine einladenden Kneipen, keine bunten, geschliffene Steine und geschmeidige Stoffe und magisch-mysteriöse Dinge feilbietenden Läden, keine gesellig anmutenden Tavernen. Das Flussvolk hatte von dem Tunnelsystem rund um Blackfriars Besitz ergriffen und verhökerte seine Fundstücke. Modriges Zeug, den Klauen der Themse entrissen, noch nach Fisch und Tod und Fäulnis riechend; rostige Waffen und Rüstungen aus uralter Zeit, einst achtlos in den Fluss geworfen; verschimmelte Kleidungsstücke Ertrunkener, den einstmaligen Besitzern in Hast und Profitgier entrissen; goldene
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