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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Geschichten des Buches Genesis aus dem Alten Testament, wobei er es sich nicht nehmen lässt, einige Stellen abzuändern und sie mit seiner eigenen philosophischen Weltsicht zu durchsetzen.
    Dort stand:
    Worauf schnellfertig Satan zu ihm sprach:
    »Gefallener Cherub, schwach zu sein ist elend,
    Ob handelnd oder leidend,
    Doch nähren wird uns Pairidaezas Stock
    mit süßer Frucht, wenn wir ihm Gleiches
    widerfahren lassen. Und siehe, sieh!
    Der kindlich Unschuld holder Saft
    versickernd in der Erde Schoß,
    dem Schlüssel gleich zum Paradies.«
    Diese Textpassage entstammte dem ersten Kapitel, worin die Fürsten der Hölle Rat abhalten im Pandämonium, dem Palast Satans, und beratschlagen, wie sie den Himmel für sich zurückgewinnen können.
    »Pairidaeza ist der persische Begriff für das Paradies«, dachte ich laut nach. »Es ist ein Zaubergarten, in dem der Lebensbaum mit der Frucht der Unsterblichkeit wächst. Mit Pairidaezas Stock ist womöglich jener Lebensbaum gemeint.«
    »Ein Schluss, zu dem auch ich gekommen bin«, entgegnete Maurice Micklewhite.
    »Milton erwähnt, dass jener Lebensbaum kindliche Unschuld benötigt, um zu gedeihen.«
    »Oder aber die Unschuld von Kindern.«
    Denn woher, wenn nicht aus Kindern, gewänne man kindliche Unschuld?
    Die Unschuld vieler Kinder
, fügte Mylady hinzu.
    »Diese These ist … gewagt.«
    Konnte dies die Lösung sein?
    »Lasst uns nun einen kurzen Blick auf die Publikationen von John Dee nebst denen seines Assistenten werfen.« Maurice Micklewhite kam in Fahrt. »In seiner Schrift
Monas Hieroglyphica
, veröffentlicht im Jahre 1564, beschreibt John Dee das Prinzip der Unschuld und wie man es für die Menschheit nutzbar machen kann. Er kommt zu dem Schluss, dass nur die kindliche Unschuld genügend Reinheit besitzt, um für die Zwecke der Alchemie von Nutzen zu sein. Nur diese Form der Unschuld sei brauchbar. Aber, und da liegt sein Problem, er hat keine Ahnung, wie man diese Unschuld gewinnen kann.«
    »Du meinst, er hat nach der Formel für die ewige Jugend gesucht?«
    Maurice Micklewhite nickte.
    Nichts weiter als der uralte Traum der frühzeitlichen Alchemie? »Oh, bitte!«
    Die ewige Jugend hatten damals viele Gelehrte und solche, die sich Gelehrte schimpften, zu finden versucht. Philosophische Abhandlungen sind über dieses Thema verfasst worden, doch haben die meisten der Verfasser nicht einmal darüber nachgedacht, ob es überhaupt erstrebenswert ist, unsterblich zu sein. Es kam zu einer Vielzahl pseudowissenschaftlicher Experimente. Meistens ging es darum, das Blut von Tieren, denen man bestimmte aus der Mythologie entnommene Eigenschaften zuschrieb, zu trinken. Man bediente sich geheimnisvoller Pflanzen wie der Alraune, aß sie roh oder trank aus ihr gepresstes Elixier. Später erweiterte man die Versuche auf menschliches Blut. Bevorzugt das von Jungfrauen oder Kindern.
    Welch ein Humbug!
    »Edward Kelly, der eng mit John Dee zusammenarbeitete«, fuhr Maurice Micklewhite fort, »veröffentlichte eine Schrift mit dem klangvollen Titel
Vita Obscura
, in welcher er sich tiefer gehend mit dem Stein der Weisen auseinander setzte.«
    Auch das noch!
    Der Stein der Weisen war das Sinnbild für die Verwirklichung des Traums von der ewigen Jugend gewesen. Einige hatten in ihm eine Pflanze gesehen, andere ein Tier, manche ein Gebräu und viele einfach nur einen Stein.
    »Bitte, Maurice!«
    »Edward Kelly war der festen Überzeugung, dass die Kreuzritter den Stein der Weisen nach England gebracht hatten.« Er meinte das wirklich ernst. »Er bediente sich der Gralslegende und behauptete, dass der Gral an einem geheimen Ort im Herzen der Insel aufbewahrt würde.«
    Ich seufzte resigniert.
    Noch so ein Mythos.
    Der heilige Gral war angeblich jener Kelch gewesen, der das Blut des sterbenden Jesus Christus aufgefangen hatte. Wer aus diesem Kelch tränke, käme in den Genuss des ewigen Lebens.
    So jedenfalls erzählte man es sich von alters her.
    »Das sind doch nur Märchen«, murrte ich.
    Maurice ließ sich jedoch nicht beirren. »Edward Kelly glaubte, dass man das Blut unschuldiger Kinder aus dem Kelch trinken müsse.«
    »Hokuspokus!«
    Ich hatte das dumpfe Gefühl, meine Zeit mit diesem Gespräch zu verschwenden.
    »Was soll dieses Gerede über den Gral, die unschuldigen Kinder und den Stein der Weisen? Was hat das ganze mit Master Lycidas zu tun?« Alte Geschichten waren das, einer Vielzahl von Mythologien entlehnt.
    »Mein ungeduldiger Freund.«
    »Die Zeit läuft uns

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