Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
mit der Gewissheit, dass Dr. Dariusz der Mann war, dem sie damals schon begegnet war, und den Zweifeln, die ihr tief ins Herz gesät worden waren und langsam erblühten, fielen ihr die Augen zu, und während ihr der Mund des Wahnsinns Träume zuflüsterte, begann sie leise im Schlaf zu weinen.

Kapitel 4
Gargyle und Kolibri

    Es war die Rue Soufflot, in der Emily endlich stehen blieb und tat, was sie bis zu diesem Augenblick nicht ein einziges Mal getan hatte. Sie blickte zurück. Dachte mit einem Mal an Aurora Fitzrovia, und ihr war, als könne sie der Freundin Gegenwart spüren. Ein Gefühl, das nur allzu bald wieder verschwand.
    Es blieb die Angst.
    Denn sie war allein.
    In Paris.
    Der fremden Stadt.
    »Was war das nur gewesen?« Emilys Stimme war ein krächzendes Keuchen nach Luft, als sie zaghaft fragte: »Er ist verbrannt, nicht wahr?«
    Eigentlich wollte sie die Frage gar nicht beantwortet wissen.
    Was ihre Begleiterin kaum störte.
Das Fegefeuer hat ihn mit sich genommen
, antwortete Lady Mina. Die Schnauze der Rättin lugte aus Emilys Manteltasche hervor, in die das Mädchen seine Begleiterin schnell gesteckt hatte, bevor sie losgelaufen war.
    »Was sollen wir jetzt tun?«
    Emily wusste nicht genau, wo sie sich befand und in welche Richtung sie lief. Soeben hatte sie noch vor dem Institut du Monde Arabe gestanden, wohin sie Ahmed Gurgar gebracht hatte. Dann war das Fegefeuer aus dem Boden gewachsen.
    Und jetzt?
    War sie allein!
    Nun ja, nicht gänzlich. Lady Mina weilte noch an ihrer Seite.
    Folgt er uns?
Wachsam schnüffelte die Rättin, die gerade ihren Stiefbruder verloren hatte, im Wind, der durch die Gassen wehte und den nahen Fluss erahnen ließ.
    »Ich glaube, wir haben ihn abgehängt.«
    Emily stützte sich mit den Händen auf den Knien ab und atmete tief durch. Das nasse Haar klebte ihr im Gesicht, und das Wasser floss ihr hinten in den Kragen hinein. Sie zitterte am ganzen Leib und unterdrückte die Verwirrung, indem sie in Bewegung blieb.
    Panik, das wusste sie, half niemals.
    Sie lähmte.
    Also atmete sie.
    Langsam.
    Im Takt.
    Wie sie es gelernt hatte.
    Und ordnete ihre Gedanken.
    Ahmed Gurgar war ihnen nicht weiter gefolgt als bis zur Rue des Écoles. Dort war er einfach so stehen geblieben und hatte ihnen nachgeschaut. Wie ein Raubtier, das sich seiner Beute sicher ist.
    Wie ein Wolf, der die baldige Ankunft des restlichen Rudels erwartet. Doch da war etwas in den dunklen Augen gewesen, das Verunsicherung hatte sein können. Ja, etwas war anscheinend anders gelaufen, als er erwartet hatte.
    Was auch immer …
    Emily war einfach nur gerannt, so schnell sie die Füße zu tragen vermocht hatten, und keinen einzigen zaghaften Blick hatte sie zurückgeworfen.
    Dies, dachte sie traurig, ist also Paris.
    Die Stadt der Liebe.
    Wo Fegefeuer aus dem Straßenpflaster stoben und Menschen mit Haut und Haar verschlangen.
    Wo sollen wir jetzt hin?
    »Frag’ mich nicht«, murmelte Emily, sah sich um und grübelte.
    Dort drüben, jenseits des Kreisverkehrs, lag im Dämmerlicht alter Laternen offenbar der Jardin du Luxembourg. Die Gitter mit den helebardenartigen Spitzen erweckten nicht den Eindruck, dass es ratsam sei, sich dort herumzutreiben. Selbst im Halbdunkel dieser verregneten Winternacht konnte Emily die geradlinig verlaufenden Wege und geometrisch exakt geordneten Rasenflächen erkennen. Französische Gartenarchitektur, dachte sie, hat wirklich wenig mit der britischen gemein. Alles an diesem Park wirkte erstarrt in Perfektion. Durchdacht.
    Symmetrisch.
    Bedrohlich.
    Dort drüben
, hörte sie Lady Mina wispern.
    Emily hatte es bemerkt.
    Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
    Etwas bewegte sich in den Schatten.
    Wilde Gedanken bestürmten Emilys Geist.
    Warum nur hatte Professor Maspero ihnen diese Falle gestellt? Sie musste davon ausgehen, dass es zwischen dem Mann aus dem Institut du Monde Arabe und dem Fegefeuer einen Zusammenhang gab. Doch hatte das Feuer sie selbst und Lady Mina nicht in Frieden ziehen lassen? Der Gedanke kam ihr erst jetzt, als sie ratlos vor der Place Edmond Rostand stand und die Bewegung in den Schatten beobachtete. Das Fegefeuer hatte die junge Rättin und sie selbst gar nicht erst angetastet. Nicht einmal verfolgt hatte es sie, obwohl es zweifelsohne dazu in der Lage gewesen wäre.
    Und überhaupt, warum war ausgerechnet an diesem Ort ein Fegefeuer aufgetaucht? Gab es Fegefeuer nicht nur dort, wo sich die direkten Zugänge zur Hölle befanden? Und hieß es nicht in der

Weitere Kostenlose Bücher