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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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war. Bücher hatte sie dort gefunden, die ihr Dinge über die Flora und Fauna der Welt offenbart hatten, die unsäglichen Wundern gleichkamen. Bücher, in denen auch von exotischen Vögeln die Rede gewesen war, die man mit Sicherheit nicht in Paris würde antreffen können, winzigen Wesen mit filigranen Flügeln, die Magie durch die Lüfte fächern, wenn der volle Mond am Himmel steht.
    Kolibri.
    Das war der Name jener Gattung, die in Ägypten den alten Göttern gedient hatte. Es waren die Kolibris gewesen, die an den Ufern des Nils und in den Gärten der alten Reiche zu Hause gewesen waren, bevor sich die Zeiten geändert und die Götter ihre Heimat verlassen hatten.
    Und mit ihnen die Kolibris.
    Amrish Seth hatte ihr davon erzählt.
    Ja, auch daran erinnerte sie sich.
    Im Britischen Museum, als Emily gedankenverloren durch die ägyptische Abteilung geschlendert und Amrish Seth ihr am Kaffeeautomaten nahe der Reservatenkammer über den Weg gelaufen war, eine Büste aus der 18. Dynastie unter den Arm geklemmt und einen Kugelschreiber hinter dem Ohr. Amrish Seth, der Seth gewesen war und von den blutrünstigen Vinshati getötet worden war.
    Derentwegen sie letzten Endes hier war.
    In dieser fremden Stadt.
    Wo sie des Rätsels Lösung zu finden gehofft hatte.
    Und Kolibris durch die eisig kalte Nacht flirrten und die Gargylen mit der Spitze ihrer langen Schnäbel berührten, als träufelten sie etwas in den Stein hinein. Augenblicklich, das glaubte Emily zu erkennen, wurden die Gargylen zu unbeweglichem Stein, zu den Statuen, als die man sie einst geschaffen hatte. Und der Kolibri, der vor Emilys Gesicht schwebte, tat es seinen Artgenossen gleich und berührte des Mädchens Nase mit der Schnabelspitze.
    Was Emily fühlen konnte.
    Ja, sie konnte den Schnabel fühlen.
    An ihrer Nasenspitze.
    Ihr Herz schlug schneller.
    Der Blickwinkel wechselte.
    Denn das Auge, das lebendig geworden war, wurde wieder zu dem Mondsteinauge, das es immer gewesen war. Und Eisregen und Wind streiften erneut Emilys Gesicht, und sie fühlte die Kälte, die jetzt wieder die Kälte einer Winternacht war und nicht mehr die Kälte des Steins, der an ihr emporgekrochen war.
    »Ihr seid wieder ein Mädchen. Doch müsst Ihr fliehen, denn der Zauber, der die Gargylen bindet, wird nicht lange andauern.«
    Eine Frau war es, die diese Worte sprach. Eine Frau, deren menschlicher Körper von einem Mantel umhüllt wurde und deren Kopf der einer schwarzen Katze mit grünen Augen war. Ein Nasenring aus Silber zierte die Schnauze mit den langen Barthaaren. »Ich bin Bastet«, stellte sie sich vor, als würde dies alles erklären. Mit einer Stimme, die irgendwie schnurrend klang.
    Die Kolibris schwebten in der Luft um sie herum, und manche ließen sich auf den ausgebreiteten Armen der Frau, die Bastet war, nieder.
    »Emily Laing«, stellte Emily sich vor.
    Und Mina
Hampstead
, piepste die Rättin, die ebenfalls wieder zum Leben erwacht war.
    Bastet fauchte verächtlich, als sie des Nagers in der Manteltasche des Mädchens gewahr wurde. Dann wandte sie sich wieder Emily zu.
    »Lauft«, schnurrte die Göttin.
    Fauchte: »Verschwindet von hier!«
    Und mit der Hand, die eine schlanke Frauenhand war, aus deren Fingern lange Krallen ragten, machte sie die Bewegung einer Katze, die nach einem Vogel schlägt.
    Emily Laing, die ihre Beine endlich wieder spürte, ließ sich das nicht zweimal sagen.
    »Danke«, murmelte sie.
    Schon bröckelte etwas von dem großen Gargylen ab. Steinstaub stob auf.
    Sie erwachen wieder
, bemerkte Lady Mina.
    Bastet fauchte laut.
    Und Emily begann zu laufen.
    Instinktiv wählte sie den Boulevard zu ihrer Rechten, und ohne einen Blick zurückzuwerfen, rannte sie durch die Nacht.
    Hell beleuchtet war der Boulevard Saint Michel, und die Autos, die hupend und ihre Abgase in den Regen blasend dort entlangfuhren, schenkten dem Mädchen und der Rättin nicht die geringste Beachtung. Als Emily und ihre Begleiterin die kleinere Place de la Sorbonne erreichten, wurde die Dunkelheit von einem schaurigen Geheul zerrissen, und es war weder schwierig zu erraten, woher diese Töne kamen, noch was sie zu bedeuten hatten.
    Die Gargylen waren erwacht und befanden sich erneut auf der Jagd. Bastet und ihre Kolibris waren wohl verschwunden, und von nun an war Emily wieder ganz auf sich allein gestellt.
    Um Atem ringend, rannte sie weiter.
    Erreichte das Musée de Cluny.
    Sah ein Schild, das ihr eine Zuflucht versprach.
    Die Métro-Station Cluny La Sorbonne

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