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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dazu zu neigen, wie wild auf mich einzureden.
    »Wo hast du sie aufgegabelt, junger Freund?« Er stupste Adam von der Seite an.
    Grinste.
    Lachte.
    »In der Métro. Ein RATF-Typ war hinter ihr her gewesen.«
    »Ah, die sind wie die Schmeißfliegen.«
    Lady Mina steckte die Nase neugierig in den Rauch.
    »Oha, eine Ratte«, bemerkte Toulouse.
    »Sie heißt Lady Mina.«
    Der kleine Mann schien sich darüber zu freuen. »Bonjour Mademoiselle Mina, ma petite rate gentille.« Sein Gesicht kam dem der Rättin sehr nah. »Hübsche dunkle Augen hat sie, wie ich finde.«
    Er ist charmant
, bemerkte Lady Mina.
    Doch Emily hörte der Rättin schon gar nicht mehr zu, denn das, was sie sah, ließ sie kurz schwindeln. Wenn es Zufälle gab, dann war dies einer. Und wenn nicht, dann wollte sie gar nicht erst wissen, welches Spiel hier getrieben wurde.
    »Was hast du?«, erkundigte sich Adam.
    Emily stellte nur mit bebender Stimme eine Frage: »Wer ist das?«
    An der Wand neben dem Eingang zur Küche hing ein kunstvoll gemaltes Plakat, das für den Abend in zwei Tagen eine Lesung ankündigte, hier im »Hotel Absinthe de Montmartre«.
    »Das, meine Liebe, habe ich gemalt.« Toulouse war stolz auf sein Werk.
    »Das ist es, was er den ganzen Tag über tut«, erklärte Adam.
    »Lithografien, Bilder, Plakate, Zeichnungen, Skizzen«, lispelte Toulouse, »was auch immer das Herz begehrt.« Laut klatschte er in die kleinen Hände. Dann sah er Emily erwartungsvoll an.
    »Nein, ich meine nicht das Plakat. Sondern die Frau
darauf

    Adam schaute jetzt erstmals genauer hin.
    Eine kühle 40er-Jahre-Schönheit mit ernstem Gesicht war da gemalt, im typischen Stil von Toulouse. Sehr künstlerisch. Und düster. Melancholisch. In Farben, die wie warmer Regen in einer Sommernacht aussahen.
    Estella Havisham – Poetry & Performance.
    Das stand unter dem Gesicht in den geschwungenen Lettern des Art-Nouveau-Stils geschrieben.
    »Sie kommt mehrmals im Jahr hierher«, sagte Toulouse, der Emilys Aufregung nicht zu verstehen schien. »Sie trägt Gedichte vor. Ja, das kann sie wirklich gut. Sie ist Engländerin. Und wenn sie redet, dann hat sie einen überaus charmanten Akzent.« Er hustete und lachte gleichzeitig, und es war nicht zu übersehen, dass er die Engländerin, die regelmäßig in diesem Hotel abzusteigen schien, mochte und zudem als Künstlerin schätzte.
    Emily, deren Kehle mit einem Mal ganz trocken war, atmete indes tief durch. Die Welt drehte sich wieder schneller. Und mit ihr all die Gesichter, die so eng miteinander verbunden waren, dass es kein Entrinnen zu geben schien.
    »Eliza«, flüsterte Emily.
    »Du kennst sie?«
    »Ja.« Aber eigentlich, dachte Emily traurig, glaube ich doch nur, sie zu kennen. Denn wenn Eliza hierher kam, dann bedeutete das …
    Was?
    »Emily, du siehst aus, als würdest du jeden Moment umkippen.«
    Sie sah auf.
    Adams Stimme, die ihren Namen aussprach, brachte sie wieder ins verrauchte Café zurück. Selbst Toulouse war verstummt.
    »Wir müssen reden«, sagte Emily. »Sofort!«
    Und meinte genau das, was sie sagte.
    Geredet wurde im Nebenzimmer, das nicht mehr als eine Abstellkammer für allerlei Gerümpel war, für das Robespierre, wie der meistens etwas kopflos wirkende Betreiber des Etablissements von seiner Kundschaft und den Bohemiens, die das Hotel Absinthe ihr Zuhause nannten, gerufen wurde, keinerlei Verwendung mehr hatte.
    »Ich habe dich in der Métro gefragt, ob ich dir vertrauen kann.«
    »Und ich weiß noch genau, was ich dir darauf geantwortet habe.«
    »Welches Spiel spielst du, Adam?«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Es kann kein Zufall sein, dass Eliza diesen Ort hier aufsuchen wird.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es keine Zufälle gibt. Darum!« Richtig aufgebracht war sie.
    »Persönlich bin ich dieser Estella Havisham noch niemals begegnet«, gestand Adam, und Emily fragte sich, ob sie ihm glauben konnte. »Es ist nur eine von vielen Veranstaltungen, die hier stattfinden. Wirklich nichts Besonderes. Hey, das ist es, was wir hier tun. Künstler treten auf und tun das, was sie als ihre Bestimmung ansehen. Ich spiele Gitarre oder Sitar, andere tragen Gedichte vor. Es gibt viele Ausländer, die hierher kommen, um sich der Kunst zu verschreiben. Deine Estella Havisham ist da wohl keine Ausnahme.«
    »Ihr richtiger Name ist Eliza Holland.«
    Unruhig lief Emily im Raum auf und ab, während Adam still dastand und ihr zusah. Lady Mina hockte auf einem ausgedienten Barhocker.
    »Emily?«
    Sie

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